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Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Der Fruehling des Commissario Ricciardi

Titel: Der Fruehling des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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Es sind ja alle auf dem Laufenden.«
    Ricciardi nickte.
    »Gut, beeil dich. Wie’s aussieht, gehen wir heut’ Abend ins Theater.«

    Filomena suchte am Wagen des Gemüsehändlers auf dem Pignasecca-Markt die besten Erbsen aus. Leichter gesagt als getan: Zu harte Früchte konnten bitter sein und würden der Suppe kaum Geschmack geben, die weichen dagegen waren vielleicht schon zu alt und nicht nahrhaft.
    Sie fand wieder Gefallen daran zu kochen. Gaetano kam abends mit einem Bärenhunger nach Hause und aß alles, was man ihm vorsetzte. Rituccia, die nun bei ihnen wohnte, rührte das Essen nicht an. Aber seit einer Weile,dachte Filomena und lächelte in sich hinein, erschien auch noch jemand anders zur Essenszeit bei ihnen; jemand, den es ganz offensichtlich freute, von einer Frau umsorgt zu werden.
    Und so fühlte sie sich immer noch – das hieß wieder: zum ersten Mal seit dem Tod ihres Mannes. Maione kam ihr wie ein Geschenk vor, das sie als Entschädigung für ihre Entstellung erhalten hatte: Sie hatte ihre Schönheit, die zugleich auch ihre Verdammnis gewesen war, gegen den zärtlichen Blick eines Mannes eingetauscht, der in ihr Inneres schaute, ohne beim Aussehen hängenzubleiben. Wie es noch nie zuvor jemand getan hatte. Lächelnd fragte Filomena sich, was wohl Raffaeles Lieblingsfrucht sei.

    Lucia war morgens nicht aufgestanden. Noch nicht einmal die Fensterläden hatte sie geöffnet. Sie lag in ihrem Bett und starrte zur Decke.
    Die Kinder wussten nicht, was sie davon halten sollten; sie liefen aufgeregt hin und her und steckten die Köpfe zur Tür hinein, um sich zu vergewissern, ob alles in Ordnung sei. Irgendwann fragte ihre Jüngste: »Mama, geht’s dir gut?« Sie antwortete Ja, mit angespanntem Lächeln. Doch ging es ihr gut? Sie wusste es nicht.
    Luca fehlte ihr, das war klar. Aber sie vermisste auch ihren Mann, so sehr, dass sie einen starken körperlichen Schmerz in der Brust spürte, der ihr den Atem raubte. Und es fehlten ihr die anderen Kinder; sie sah sie nur durch die Kristallwand, die sie im Laufe der Jahre um sich hochgezogen hatte, konnte sie aber nicht berühren. Schließlich fehlte ihr auch Lucia, die Frau, die früher einmal lachte, sang und Zärtlichkeiten austauschte, demLeben ins Gesicht sah. Sie hatte den Eindruck, schon lange tot zu sein, die Welt nur noch als Geist aus dem Jenseits zu betrachten.
    Gerne hätte sie geschlafen und von Luca geträumt, der ihr bestimmt lächelnd gesagt hätte: »Los, Mama, steh auf und nimm dein Leben in die Hand, wie früher. Du bist die Schönste im ganzen Viertel, mein Augapfel: Was sollen die Leute denn von mir denken?« Doch ihr Schlaf war unruhig, schmerzhaft und traumlos, und sie wachte müder auf, als sie eingeschlafen war.
    Von draußen erreichten sie die Geräusche der Straße, der Gesang der Waschfrauen, die Rufe der fliegenden Händler. Durch die geschlossenen Fensterläden hindurch streifte eine leichte Brise ihr Gesicht: Es war die neue Luft, voll vom Duft der Felder des Vomero. Es ist Frühling, dachte sie. Ein neuer Frühling.
    Lucia stand aus dem Bett auf und öffnete die Fensterläden. Das Tageslicht blendete sie. Sie sah nach unten, vier hohe Stockwerke lagen zwischen ihr und der Straße. Die Straße bestand aus festen, uralten Steinen und trug die Spuren von hundert Jahren Pferdehufen.
    Dort unten ging Assuntinas Tochter mit einem braungebrannten jungen Mann spazieren. Na so was, dachte Lucia. Mir kommt’s wie gestern vor, als sie zur Welt kam und ihre Mutter mit dem Kind im Tragetuch auf der Straße Schwefelwasser verkaufte; und jetzt spaziert sie schon mit einem Verehrer durch die Gegend und wird demnächst heiraten und selbst Kinder kriegen.
    In genau diesem Augenblick beschloss Lucia Maione, dass sie noch nicht tot war. Sie drehte sich um und kehrte zurück zu ihrer Familie, weil das Leben weitergehen musste.
    Es war eines jener kleinen und unbekannten Wunder, die der Frühling des Jahres Neunzehnhunderteinunddreißig vollbrachte.
LVII
    Die Pizza, die er sich an einem Wagen auf der Piazza Municipio geholt hatte, ließ ihn an Iodice und dessen Traum denken. Ricciardis einsames Mittagessen bestand gewöhnlich aus dieser Alternativlösung zu einer Sfogliatella und Kaffee und wurde schnell verzehrt, während er an anderes dachte. Die Arbeit, Garzo, die aktuellen Ermittlungen. Enrica.
    Diesmal allerdings versuchte der Kommissar, sich beim Anblick des geschickt hantierenden Pizzabäckers die Gedanken und Worte des Selbstmörders

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