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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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wurden immer kleiner.
    Im selben Augenblick vernahmen sie zum vierten Mal von unten Gebrüll, und das war eigenartig, denn sie waren mittlerweile sehr hoch und weit vom Boden entfernt.
    Parlance kletterte auf Festoon, lehnte sich über den Rand des Korbs und spähte in die Tiefe.
    Erneut Gebrüll. Er spitzte die Ohren. Es klang verzweifelt und aufgebracht.
    »Ich glaube«, sagte er, »Mister Stort hängt da unten an einem Tau.«
    So war es. Doch ihn an Bord zu holen wurde erst möglich, alsFestoon vorschlug, das Tau, an dem ihr Pilot baumelte, auf seinem Arm aufzuwickeln. So hielt er es mit seinem Gewicht fest, während sie Stort Stück für Stück heraufhievten. Schließlich konnten sie ihn mit den Händen packen und an Bord ziehen.
    Er machte sich sofort an die Arbeit und drehte die Gasflamme kleiner, sodass der Ballon wieder sank und schließlich in gleichbleibender Höhe weiterflog.
    Unterdessen war Jack wieder zu sich gekommen, und Stort leuchtete mit einem Streichholz, damit sie seine Wunde untersuchen konnten. Der Bolzen hatte ihm an der Schulter eine böse Fleischwunde zugefügt und das Narbengewebe der alten Verbrennungen aufgerissen.
    »Ich werde die Blutung stillen«, sagte Katherine, »aber alles andere wird warten müssen.«
    Sie konnte nicht mehr tun als die Arme um Jack legen, damit er es bequemer hatte. Er selbst wollte jetzt nur schlafen, doch selbst im Schlaf zuckte und stöhnte er vor Schmerzen.
    »Wohin fliegen wir, Mister Stort?«, fragte sie. »Denn je früher wir dort sind, desto besser.«
    »Wir fliegen nach Westen ins Grenzland zwischen Englalond und Nordwalas, das die Menschen Wales nennen. Ich stamme von dort und habe in der Gegend Verwandtschaft. Den Fyrd dürfte es schwerfallen, uns dort aufzuspüren.«
    »Wie steuern Sie dieses Ding?«, fragte Festoon.
    Stort zuckte mit den Schultern.
    »Fragen Sie mich nicht«, antwortete er. »Ich habe so was noch nie geflogen.«
    Der Wind war schwach, und sie schwebten nur sehr langsam durch die Nacht. Alle bis auf Stort schliefen etwas.
    Später, als sich im Osten der erste Dämmerschein zeigte, der Himmel im Westen aber noch schwarz war, sagte Katherine, mehr zu sich selbst als in der Hoffnung, dass jemand sie hörte: »Auf der Tür hat ›Frühling‹ gestanden, aber wir haben ihn nicht gefunden.«
    Lord Festoon schlug die Augen auf und sah zuerst sie, dann den unruhig schlafenden Jack an, dessen Kopf an ihrer Schulter lag.
    »Nicht?«, fragte er mit einem Lächeln. »Sie haben ihn nicht gefunden, meine Liebe?«
    Katherine schaute auf Jack hinab und schlang die Arme noch enger um ihn.
    Einige Zeit später wurde Lord Festoon unruhig. Er wandte sich höflich an Parlance.
    »Mein lieber Freund, Sie haben nicht zufällig ein oder zwei Bonbons bei sich? Irgendetwas, was die gefräßigen Wölfe des Hungers in Schach halten könnte?«
    Parlance durchwühlte die Taschen seiner Kochjacke und brachte wie ein Zauberkünstler, der ein Kaninchen aus dem Zylinder zieht, eine Praline zum Vorschein, an die sich eine Cashewnuss schmiegte wie ein Säugling an die Mutterbrust.
    »Das ist eine ganz besondere Praline, Mylord.«
    »Inwiefern, Parlance?«
    »Es wird für lange Zeit die letzte sein, die Sie bekommen. Sie markiert das Ende einer Ära der Schwelgerei und den Beginn einer Zeit der Enthaltsamkeit. Danach beginnt Ihre Diät. Genießen Sie sie!«
    Doch Festoon überraschte seinen Freund. Er bot sie Katherine an und, da sie dankend ablehnte, Stort, der sie in Sekundenschnelle verschlungen hatte.
    »Lecker«, sagte er.
    »Die beste, die sie je gegessen haben, könnte ich mir vorstellen«, sagte Festoon träge.
    Stort schüttelte den Kopf.
    Festoon blickte überrascht. »Wer bitte könnte ein besserer Chocolatier sein als Parlance?«, fragte er.
    »Meine Mutter«, erwiderte Stort trocken, »und ich hoffe, Sie werden noch Gelegenheit haben, sich davon zu überzeugen. Unser Treibstoff geht nämlich zur Neige.«
    Der Ballon schwebte unruhig am dämmernden Himmel dahin. Die Gasflamme flackerte, und ein auffrischender Morgenwind brachte den Korb zum Schaukeln.
    Ein dünner, schwacher Strahl der aufgehenden Sonne drang durch die Wolken hinter ihnen, und vor ihnen stand der blasse Mond über den walisischen Bergen.
    »Drücken Sie die Daumen«, sagte Stort. »Das Gas ist soeben ausgegangen.«



80
DAS DORF
    E s dämmerte, und die Sonne stieg über dem Fluss herauf, an dem eines der ruhigsten, urwüchsigsten und geheimnisvollsten Dörfer von Hyddenwelt lag,

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