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Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Der Frühling - Hyddenworld ; 1

Titel: Der Frühling - Hyddenworld ; 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Hause!«
    So kam es, dass Sekunden, bevor die achtzehn Minuten bis zu Storts angekündigtem Eintreffen verstrichen waren, bereits das halbe Dorf auf dem Anger versammelt und die andere Hälfte dorthin unterwegs war. Alle spähten zum jenseitigen Ufer und dem Fährmann, der mittlerweile zu seiner Anlegestelle zurückgekehrt war. Außer ihm war keine Menschenseele zu sehen.
    »Wer hat gesagt, dass er kommt?«
    »Mister Kipling hat es mit Hilfe seiner Zirkel, Zollstöcke und Schrittzähler auf die Sekunde genau ausgerechnet.«
    »Wann war das?«
    »Vor drei Minuten.«
    »So viel zu Wissenschaft und Schreibern!«
    Zum Glück für Kiplings wackeligen Ruf in der Kunst des Vorhersagens kam Imbolc mit ihrer Schätzung der tatsächlichen Ankunftszeit recht nahe.
    Plötzlich tauchte der Ballon über der Baumreihe am anderen Ufer aus der aufgehenden Sonne auf und löste lauten Jubel aus.
    Doch der vorgesehene Landeplatz wimmelte so von Menschen, dass Stort seine Pläne in letzter Sekunde änderte, knapp über die Dächer hinwegrauschte und hinter dem Dorf im Matsch neben dem Fluss landete.
    Er freute sich ebenso über das Wiedersehen wie seine Mutter, und sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und befühlte es, wie sie es immer getan hatte, als er noch ein Kind gewesen war. Denn Sehen mag Glauben bedeuten, aber Berühren ist Lieben.
    Freilich hielt sie das nicht davon ab, ihn sogleich auf die Türglocke anzusprechen, und wie sie stets prophezeit hatte, reparierte er sie, noch bevor er sein altes Zuhause betrat.
    An Jack und Katherine zeigte das Dorf weit weniger Interesse, und dass auf einmal der Hochaltermann von Brum nebst Küchenmeister unter ihnen weilte, konnte keiner recht begreifen.
    »Äh, Parlance, haben Sie etwas zu essen gesehen?«, flüsterte Lord Festoon, sowie sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten und die Aufregung sich legte. »Mir ist schon ganz flau vor Hunger.«
    »Sie geben auf dem Dorfplatz ein Festmahl, zu dem alle eingeladen sind, Mylord. Aber …«
    »Was aber?«, fragte Festoon bekümmert.
    »Ich habe strikte Anweisung gegeben, was Sie essen dürfen und was nicht.«
    »Was ist denn die Hauptspeise bei dem Festmahl?«
    »Spanferkel und Severn-Lachs, ein Fisch mit sehr festem Fleisch.«
    »Das ist gut, Parlance, sehr gut. Sicherlich mit mediterranen Kräutern serviert, und dazu Pastinakenscheiben, in Avocadoöl frittiert?«
    »Wir sind hier in einem Dorf im wilden Grenzland, Mylord, nicht in ihrem Brumer Palast. Außerdem steht derlei nicht auf meiner Liste der Speisen, die Ihnen gestattet sind.«
    »Und was steht auf der Liste?«, erkundigte sich Festoon demütig.
    »Sehr wenig, Mylord. Wirklich sehr wenig.«
     
    Katherine ging nicht zu dem Festmahl. Jacks Rücken gab Anlass zu tiefer Besorgnis. Mehrere Frauen aus dem Dorf nahmen ihn an der Hand und führten ihn in Mister Kiplings Wohnzimmer, das bis auf weiteres in eine Krankenstation umfunktioniert wurde.
    Katherine und die Friedensweberin setzten sich zu ihm.
    »Es geht ihm sehr schlecht, nicht wahr?«
    Imbolc nickte und sagte: »Sogar noch schlechter, als es scheint, meine Liebe. Dieser Tag hat sich seit Jahren abgezeichnet. Er hat für andere gekämpft, nun muss er für sich selbst kämpfen, und andere müssen ihm helfen.«
    »Wie?«, fragte Katherine. »Was kann ich tun?«
    Imbolc lächelte.
    »Seien Sie für ihn da, meine Liebe, das ist alles, was Sie tun können, und das, was Jack jetzt am meisten braucht.«
    »Aber ich würde alles für ihn tun.«
    »Es ist nicht der gute Wille, der zählt, und nicht einmal das Tun. Jedenfalls nicht in Jacks Fall. Es geht viel tiefer. Seien Sie für ihn da, und er wird genesen.«

81
KRANKHEIT
    D och was immer Katherine auch tat und sosehr sie sich auch bemühte, Jack wurde nicht wieder gesund. Es schien nicht an der Armbrustwunde zu liegen, die recht gut verheilte, sondern an etwas anderem.
    Nicht einmal der Rat und der Beistand der Wyfkin aus dem Dorf, die in der Heilkunde sehr bewandert waren, vermochten zu helfen. Keine ihrer Wundsalben, keiner ihrer Aufgüsse oder Tränke, deren Rezepte durch die Jahrhunderte von der Mutter an die Tochter weitergeben worden waren, brachte Linderung.
    Jacks Zustand besserte sich nicht. Im Gegenteil, er verschlechterte sich.
    Er hatte große Schmerzen, und obwohl er tapfer seine Schreie unterdrückte, war für jedermann offenkundig, wie sehr er litt. Vormals von robuster Natur, magerte er ab und alterte, sein Haar wurde strähnig, Pusteln zeigten sich in seinem

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