Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)

Der Secret Service tat seine Pflicht. Und jetzt war auch A. J. bereit, seinen Teil beizutragen, als er, immer noch in Anzug und Krawatte, die Treppe hinauf ins Oval Office stieg.

82. KAPITEL
    Nico hält sich für schlau.
    Das ist er auch.
    Jedenfalls ist er clever genug, um die Ärzte, Schwestern und Pfleger im St. Elizabeths zu täuschen und irgendwie geheime Nachrichten und offenbar auch irgendwelche Ratschläge an den Ritter zu leiten, der Pastoren ermordet und verflossene Attentäter imitiert. Außerdem ist er schlau genug, um zu wissen, dass er diese geheimen Nachrichten an einer Stelle verstecken muss, wo niemand zu genau nachsieht, wenn er sie wirklich geheim halten will. Zum Beispiel in einer Spielkarte, die er als Lesezeichen benutzt.
    Als ich jetzt an meinem Küchentisch sitze, das leicht mitgenommene Kreuz-Ass betrachte und die Vorder- und Rückseite untersuche, versuche ich, möglichst nicht an Totte zu denken. Tad hat gesagt, er würde noch operiert. Er sagte, ich sollte nicht ins Krankenhaus kommen und ich könnte am besten dadurch helfen, dass ich mich um diese Karte kümmere. Und vor allem muss ich über das Buch nachdenken, das Nico bei unserem Treffen bei sich trug und in dem er sie versteckt hatte.
    Ich habe es gesehen, als er es auf den Glastisch im Besucherbereich legte. Es war kein Geschichtsbuch, sondern ein Roman vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, ein Bestseller namens Ein Rückblick. Darin geht ein junger Bostoner namens Julian West im Jahre 1887 schlafen und wacht in der Zukunft des Jahres 2000 auf. Aber es gibt nur einen Grund, warum ich dieses Buch kenne oder warum überhaupt jemand sich noch an dieses Buch erinnert. Ich habe ihn gestern Nacht herausgefunden, als ich wegen des dritten Attentats recherchierte. Das Buch war der Lieblingsroman des Attentäters Leon Czolgosz. Ein Rückblick war das Buch, das er acht Jahre lang immer wiedergelesen hatte, so lange, bis es ihn schließlich inspirierte, Präsident McKinley zu ermorden.
    Doch als ich jetzt das angestoßene und etwas verbogene Kreuz-Ass untersuche, ist mir nur wichtig, ob darin irgendeine Botschaft versteckt ist. Als ich Nico das erste Mal begegnete, sagte er mir, er sei die Reinkarnation von George Washington. Damit wollte er mir klarmachen, dass er etwas ganz Besonderes ist. Aber dadurch weiß ich auch, wie Nico denkt.
    Im Unabhängigkeitskrieg war niemand besser darin, geheime Korrespondenzen zu verschicken, als George Washington. Als Anführer des Culperrings hat er geholfen, Nummerncodes zu erfinden, die unmöglich zu knacken waren. Versionen davon werden bis zum heutigen Tag von der CIA verwendet. Er benutzte ausgeschnittene Masken in Stundenglasform, die, wenn man sie auf einen handgeschriebenen Brief legte, gewisse Abschnitte des Textes blockierten und so eine geheime Nachricht enthüllten.
    George Washingtons Lieblingstrick war jedoch unsichtbare Tinte. Als ich in den Culperring eintrat, lernte ich, dass unsichtbare Tinte schon Jahrtausende alt ist und das Geheimnis ihrer Herstellung von Ägypten nach China überliefert wurde. Man benutzt dafür organische Flüssigkeiten wie zum Beispiel den Saft von Lauch oder Zitronen. Und wie mittlerweile jedes Kind weiß, braucht man das Papier nur zu erhitzen, und voilà, die verborgene Schrift tritt zutage. Washington begriff, dass ein Geheimnis nicht sonderlich gut aufgehoben ist, wenn man nur eine Kerze benötigte, um es zu enthüllen.
    Daher ersetzten Washington und die ersten Mitglieder des Culperrings den Hitzeprozess durch einen chemischen Prozess. Washington schrieb mit einer unsichtbaren Tinte, die er das Agens nannte. Wenn dann der Empfänger eine andere Chemikalie auftrug, das Reagens , enthüllte dies die verborgene Botschaft. Solange die Briten nicht über dieses Reagens verfügten, konnten sie den Code nicht knacken.
    Während ich in Clementines Wagen nach Hause raste, sagte mir Tadellose Täuschung , ich solle Zitronensaft, Limonensaft, irgendeinen Saft, ganz gleich, welchen, über die Vorderseite des Kreuz-Ass gießen. Er hat nicht kapiert, wie die Sache läuft.
    Es steht außer Frage, dass Nico das nicht alles alleine macht. Ob Marshall nun der Ritter ist oder nicht, Nico muss auch Hilfe von jemandem im Krankenhaus bekommen haben. Irgendjemand steckt ihm diese Karten zu, oder zumindest steckt er ihm Bücher zu, in denen sich neue Karten befinden. Aber das heißt noch lange nicht, dass Nico genau in dem Moment, in dem er sie braucht, an irgendwelche