Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)

sah Wallace wie der perfekte Dad aus. Er brachte seine Familie nach Camp David, um seinem Sohn über eine harte Zeit hinwegzuhelfen. Wie der Stabschef genau wusste, gab es, wenn alles schiefging, keine bessere Schutzbehauptung als die Familie.
    Mit einem dumpfen Dröhnen begannen sich die Rotoren des Hubschraubers zu drehen. Dann hoben die Räder der Maschine vom Südrasen ab. An den meisten Tagen würden die Reporter von einem abgetrennten Pressebereich aus zusehen. Heute jedoch waren bereitsalle an Bord des Hubschraubers, bevor der erste Journalist begriff, was da vor sich ging.
    A. J. legte den Kopf in den Nacken und kniff wegen des starken Windes der Rotorblätter die Augen zusammen, während er zusah, wie sich Marine One in den grauen Himmel erhob. Durch das Fenster im hinteren Teil des Hubschraubers konnte er sehen, wie Wallaces junger Sohn seine Stirn gegen das kugelsichere Glas drückte. Er blickte auf den Feuerwehrwagen hinab, der immer auf die Südseite des Weißen Hauses fuhr, wenn der Helikopter startete.
    A. J. wusste, warum der Feuerwehrwagen da war: Er war mit Schaum gefüllt für den Fall eines plötzlichen Absturzes.
    Ein Unfall war nie ganz auszuschließen.
    Dem konnte A. J. nicht widersprechen.
    Und er wusste auch, dass der echte Crash nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.

84. KAPITEL
    »Tad, er wird versuchen, Wallace in Camp David zu ermorden!«
    »Beecher, du musst mir zuhören«, verlangt die Computerstimme von Tadellose Täuschung in meinem Handy.
    »Nein, du verstehst mich nicht.« Ich mache mit dem Handy ein Foto von dem Kreuz-Ass, das in der Plastikdose schwimmt. »Der Ritter …«
    »Du meinst Marshall.«
    »Hör auf, das ständig zu behaupten. Du kannst das nicht mit Sicherheit wissen.«
    »Ich weiß es sehr wohl. Genauso wie Totte es wusste. Die einzige Person, die es nicht zu wissen scheint, bist du.«
    Meine Hand zittert, als ich auf den Auslöser drücke, so dass das Foto von der Spielkarte verwackelt. Schon bei der Erwähnung von Tottes Namen scheint mein ganzer Körper zu schrumpfen. Mein Gott, wenn er nicht durchkommt …
    »Ich verstehe, Beecher. Es liegt daran, was du Marshall vor all den Jahren angetan hast, was auch immer damals passiert sein mag. Du willst einfach nicht, dass dein alter Freund der Täter ist. Aber es wird Zeit, realistisch zu sein. Nach all dem, was passiert ist …«
    »Totte ist passiert! Und Camp David ist passiert! Ich habe die Botschaft gefunden!«
    »Ich ebenfalls«, erwidert Tad. »Irgendjemand wird um Punkt zwölf abdrücken.«
    Meine Kamera klickt erneut, als ich ein zweites Foto mache. »Wovon redest du da?«
    »Das ist die vorgesehene Mordzeit. Punkt zwölf Uhr.«
    »Ich verstehe nicht. Woher weißt du …?«
    »Nicos medizinische Berichte. Ich habe diese YouTube-Katzenvideosüberprüft, die Nico sich immer angesehen hat. Die Pfleger und Schwestern fertigen bei jeder Schicht Berichte an, und diese Berichte werden online gestellt, was bedeutet …«
    »Du hast sie gehackt.«
    »Sie benutzen Steganografie. Weißt du, was das ist?«
    »Versteckte Schrift.«
    »Ganz genau. Aber weißt du, was in der heutigen Welt noch schwerer aufzuspüren ist als eine versteckte Botschaft in einem Schriftstück? Eine Botschaft in einem Video. Stell es dir vor. Wenn es darum geht, Terroristen daran zu hindern, sich gegenseitig E-Mails zu schicken, verfolgt unsere Regierung gewisse Schlüsselworte durch das ganze Internet. Bomben. Bombenmaterial. Wie man eine Bombe macht. Die NSA hat die besten Wortfindungsprogramme der ganzen Welt. Aber wenn es um Videos geht, nützen sie nichts, denn es gibt da keine Worte, die man aufspüren könnte.«
    »Aber können sie nicht sehen, was in dem Video gezeigt wird?«
    »Ah, wir kommen der Sache schon näher. Weißt du, wer Mike McConnell ist?«
    »Er hat die NSA geleitet. Der Direktor des Nationalen Geheimdienstes.«
    »Ganz genau. Während der Operation Desert Storm war McConnell so beschäftigt, dass seine Tochter sich bei ihm beschwerte. ›Ich sehe dich nur noch im Fernsehen. Du musst mir während deiner  Pressekonferenzen sagen, dass du mich lieb hast‹, erklärte sie. McConnell erwiderte, das könnte er nicht tun. Also verlangte seine Tochter von ihm, es so zu machen wie Carol Burnett : Er sollte ebenfalls an seinem Ohrläppchen ziehen, wodurch Burnett ihrer Großmutter heimlich gesagt hatte: Ich liebe dich. Also fing McConnell auch damit an. Während der Pressekonferenzen auf 60 Minutes , während der