Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
vernichtend. Die Mitschüler haben ihn damals gehasst. Wissen Sie, was das bedeutet?«
»Das bedeutet, dass jeder zu schlagen ist.«
»Nein. Es bedeutet, dass Leute sich ändern können, Beecher. Wahrnehmungen können sich ändern. Zum Schlechten oder zum Guten. Nicht jeder ist das, was er einmal war. Nur weil irgendetwas in Ihrer Vergangenheit passiert ist, muss das noch lange nicht heißen, dass es Ihre Zukunft definiert.«
Er lässt die Bedeutung dieser Worte auf mich einwirken, während ich über meinen Vater nachdenke, über Clementine und natürlich auch über den Präsidenten und Palmiotti. Aber ich denke auch über Marshall nach und alles, was ich ihm angetan habe. Ich habe ihm so viel angetan, dass ich es niemals wiedergutmachen kann.
Mit einem letzten Poltern verlassen wir die Metallbrücke, und ich sehe im Rückspiegel, wie sie hinter uns verschwindet.
»Aber Sie haben recht«, sagt Palmiotti und starrt wieder in den Rückspiegel. »Jeder ist zu schlagen. Vor allem wenn man weiß, wo seine schwache Stelle ist.«
Die gewundene Straße führt uns zu der kleinen Stadt Thurmont in Maryland und dann wieder hinaus auf die Landstraße. Dann steigt sie an, was mir sagt, dass wir allmählich in die Berge kommen. Das nächste Schild, an dem wir vorbeifahren, ist ein hölzernes Schild des Nationalparks.
Willkommen im Catoctin Mountain Park
Wenn wir uns nach rechts wenden, nach Osten, kommen wir an einen öffentlichen Campingplatz, an Wanderwege und wunderschöne Aussichtspunkte in den Bergen. Ich biege jedoch nach links ab, auf die Westseite, wo die Straße noch schmaler wird, sich auf zwei schmale Spuren verengt.
Hier gibt es kein Ackerland mehr und auch keine kleine Stadt.Während wir hinauffahren, langsam den Berg erklimmen, sind wir von steilen Hängen umgeben, von felsigem Terrain und gewaltigen Beständen von Eichen, Pappeln, Walnussbäumen und Ahornbäumen. Wir können nur wenige Meter in jede Richtung sehen.
Trotzdem wissen wir beide, was vor uns liegt, tief im Park versteckt. Ich werfe einen Blick auf die Digitaluhr am Armaturenbrett. Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit.
»Wir werden es schaffen«, sagt Palmiotti. »Aber was auch immer passiert, geben Sie sich nicht die Schuld daran. Wichtig ist nur, dass Sie es versucht haben, stimmt’s?«
Natürlich hat er recht. Aber genau aus diesem Grund kann ich nicht aufhören, an diese Nacht in dem Keller zu denken. Ich weiß, wer Marshall einmal gewesen ist. Ich weiß, was ich ihm angetan habe. Und in weniger als einer halben Stunde werde ich von Angesicht zu Angesicht der Person gegenüberstehen, zu der ich ihn gemacht habe.
91. KAPITEL
Achtzehn Jahre früher
Sagamore, Wisconsin
»Da unten ist es dunkel.«
»Er schafft das schon«, sagte Timothy Lusk und rollte mit seinem Rollstuhl an den Rand der Stufen. Er blickte in den dunklen Keller hinab. »Du kriegst das hin, Marsh, stimmt’s?«
Der junge Marshall umklammerte die Griffe des Rollstuhls seines Vaters und warf einen Blick über dessen Schulter auf die rohen Holzstufen mit den rostigen Metallrändern. Der schwarze Boden des Kellers schien zu schwanken und ein Eigenleben zu führen.
»Ich kann dir eine Taschenlampe holen«, bot ihm die Frau von Pastor Riis an. Alle nannten sie Cricket.
»Wenn du willst, kann ich auch gehen«, meinte Pastor Riis.
»Er schafft das schon«, erklärte Marshalls Vater. »Es ist nur Wasser.«
Marshall schob die Brille auf seiner Nase hoch und trat einen Schritt zurück und verursachte damit eine knöchelhohe Welle, die durch die Küche schwappte. Es war tatsächlich nur Wasser. Wegen eines geplatzten Wasserschlauchs am Geschirrspüler des Pastors war das Wasser während des ganzen Wochenendes gelaufen, als sie nicht da waren. Jetzt war es überall, in der Küche, im Wohnzimmer und auch im Keller. Der sah jetzt aus wie ein schwarzer Abgrund. Als Marshall und sein Dad angekommen waren, hatte das Wasser laut Pastor Riis dort unten kniehoch gestanden. Für Marshall bedeutete das, dass es jetzt noch höher war.
»Hier ist eine Taschenlampe.« Die Frau des Pastors gab Marshall die Lampe. Er richtete den Lichtstrahl auf die Treppe vor sich, aber er schien das Dunkel kaum durchdringen zu können.
»Keine Sorge, wir sind hier oben«, erklärte sein Vater, drehte seinen Rollstuhl herum und winkte Marshall weiter.
Noch bevor Marshall widersprechen konnte, flammte ein Blitzlicht auf, und die Polaroid-Kamera seines Vaters spuckte eine Aufnahme aus.
»Vergiss die
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