Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
Raum zu sehen. Und Nico, hinauszublicken.
Noch vor Jahrzehnten hätten sie Nico in eine Zwangsjacke gesteckt und ihn in eine Gummizelle geworfen. Doch in den heutigen Anstalten existierten Zwangsjacken und Gummizellen nicht mehr. Man nannte sie jetzt »Rückzugsräume« oder »Ruheräume«, Orte, wo Patienten ihre Ruhe finden und sich »selbst helfen« konnten.
» Die Medikamente, die man dir gegeben hat … haben sie nicht gewirkt?« , erkundigte sich die First Lady.
Nico schüttelte den Kopf und richtete sich langsam auf. Seine Finger waren steif, und er fühlte sich am ganzen Körper von dem Kampf zerschlagen. Er warf einen Blick in den Gang. Es war niemand da, was ihn nicht überraschte.
Er wusste seit ein paar Wochen, dass jemand auf ihn aufpasste. Der Ritter war einmal aufgetaucht, vor ein paar Monaten. Aber er war zu klug gewesen, um danach noch einmal nach St. Elizabeths zurückzukehren. Nico dachte darüber nach, er dachte an all die Nachrichten, die der Ritter ihm hatte schicken können, all die Spielkarten mit der unsichtbaren Tinte, die in den alten Büchern gesteckt hatten. All diese Nachrichten hatten ihn schließlich nicht von selbst erreicht. Irgendjemand innerhalb des Krankenhauses half dem Ritter, mit Nico zu kommunizieren. Jemand hier war auf seiner Seite.
»Du glaubst, dass dieser Jemand dir auch die Spritze gegeben hat, nicht wahr?« , fragte ihn die First Lady.
»Der Ritter hat mir gesagt, dass er sich um mich kümmern würde, dass ich nicht alleine wäre«, erwiderte Nico. Er ging die letzten Tage durch und dachte an die eine Person, die immer und immer wieder aufzutauchen schien.
» Ich weiß, an wen du jetzt denkst« , erklärte die First Lady. » Aber du musst trotzdem vorsichtig sein.«
Nico war vorsichtig. Deshalb blickte er jetzt in die hintere Ecke des Raumes, wo eine Überwachungskamera in einem sechseckigen Metallkeil saß, der mit kratzfestem Glas geschützt war. Zweifellos würde diese Kamera den gesamten Raum abdecken. Sie würden Nico beobachten.Aber zu seiner Überraschung sah er, dass das kleine rote Licht an der Kamera nicht brannte, im Gegensatz zu den anderen Kameras in dem neuen Gebäude.
» Ist es möglich, nur eine Kamera abzuschalten?« , wollte die First Lady wissen.
»Der Ritter hat gesagt, er werde sich um uns kümmern. Er werde für uns sorgen.« Nico stand langsam auf. Er war immer noch müde, aber langsam wurde er aufgeregt. Alles, was der Ritter gesagt hatte, bewahrheitete sich. Es war Schicksal.
Nico presste sein Gesicht und seine Fingerspitzen gegen das Glas und warf einen prüfenden Blick in den dunklen Gang. Die Lichter waren ausgeschaltet, und es gab keine Schwestern, keine Pfleger. Niemand war zu sehen.
»Es sieht so aus, als würde Gott auf dich aufpassen, Nico.«
»Nicht nur Gott«, sagte Nico und griff nach der Tür. »Der Ritter passt auch auf uns auf. Der Ritter sorgt für uns.«
Nico zog an dem Türgriff und wartete auf das metallische Klacken des Riegels. Stattdessen jedoch schwang die Tür auf, lautlos.
Sie war unverschlossen.
Nico zögerte nur einen Moment. Der Ritter kümmerte sich ganz offensichtlich um ihn. Der Ritter und noch jemand anders.
Nico trat in den Gang und machte sich auf den Weg.
90. KAPITEL
»Also wer, glauben Sie, hilft ihm?« Palmiotti beobachtet mich vom Beifahrersitz.
»Nico? Ich weiß es nicht genau«, erwidere ich und umklammere das Lenkrad.
»Eigentlich habe ich nicht von Nico geredet. Ich meinte …« Palmiotti unterbricht sich. »Sie glauben, dass Nico hinter all dem steckt?«
Ich bleibe stumm und blicke starr auf die schmale, zweispurige Straße. Die MD77. In der ersten Stunde war das Spiel ziemlich ausgeglichen. Er wirft mir Einzelheiten in kleinen Brocken vor und versucht, mir Informationen zu entlocken. Aber er ist nicht der Einzige, der dieses Spiel beherrscht.
»Über wen haben Sie dann geredet? Glauben Sie, dass der Präsident Hilfe bekommt?«, frage ich ihn.
Jetzt schweigt Palmiotti. Rechts und links neben uns sind die ausgedehnten Einkaufszentren der Vorstädte, die die I-270 säumten, den ausgedehnten, verschneiten Feldern des nördlichen Maryland und den Ausläufern des Catoctin gewichen, der direkt vor uns liegt. Es ist niemand da außer uns, nirgendwo, aber Palmiotti starrt trotzdem ununterbrochen in den Rückspiegel.
»Wie kann jemand dem Präsidenten helfen?«, fahre ich fort. »Ich dachte, Wallace wäre hier das Opfer.«
»Er ist das Opfer. Aber Sie müssen verstehen, dass Sie als
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