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Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)

Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)

Titel: Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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nicht, du wirst die Kamera brauchen.« Marshalls Vater gab ihm den Apparat. »Mach von allem Fotos.«
    Marshall nickte. Seit sechs Monaten arbeitete sein Dad als Versicherungssachverständiger. Der Job bestand darin, Fotos zu machen, den Schaden zu dokumentieren und einen Bericht zu schreiben.
    Natürlich wusste Marshall, dass man seinem Dad diesen Job nur aus Mitleid gegeben hatte. Selbst Versicherungsgesellschaften haben Mitleid mit einem Arbeitslosen in einem Rollstuhl. Aber die Versicherungen und auch die Versicherungsnehmer fanden schnell heraus, wie schwer es Letzteren fiel, über die Höhe eines Schadens zu jammern, wenn sie mit einem Mann redeten, dem man beide Beine amputiert hatte und der nie wieder laufen konnte.
    »Ich habe ihm gesagt, er solle den Geschirrspüler nicht anstellen, wenn wir wegfahren. Habe ich das nicht gesagt, mein Lieber?«, fragte die Frau des Pastors und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Dann riss sie sich zusammen und blickte auf ihre Gäste. »Entschuldigung«, sagte sie. »Ich wollte meinen Ehemann nicht so anfahren.«
    »Das nennen Sie anfahren ?« Timothy lachte und winkte seinen verunsicherten Sohn zur Treppe. »Dann sollten Sie mal zu uns kommen, was, Marsh?«
    Marshall starrte in die Dunkelheit und hörte die Frage nicht einmal. Es hatte ihm nichts ausgemacht, seinen Dad die letzten sechs Monate zu begleiten. Genau genommen gefiel es ihm sogar. Es war nett, alleine mit seinem Vater im Auto zu sein, wenn das Radio spielte und der Wind einem durchs Haar fuhr. Außerdem gab es Orte, an die sein Dad nicht hinkam, zum Beispiel, wenn der Unfall im ersten Stock eines Hauses passiert war und es keinen Treppenlift gab. In solchen Fällen war Marshall der perfekte Assistent. Er schnappte sich die Polaroid und gelangte dank seiner Geschicklichkeit im Klettern, die er sich durch das Baumhaus angeeignet hatte, bis auf Dachböden und sogar auf Dächer. Er fühlte sich nicht nur gut dabei, sondern er fühlte sich nützlich.
    Aber selbst ein Zwölfjähriger weiß, dass Dachböden und Dächer eine ganz andere Sache sind als ein dunkler Keller.
    »Wenn er Angst hat, kann ich auch gern selbst gehen«, sagte Pastor Riis zum vierten Mal.
    »Er hat keine Angst. Er liebt die Dunkelheit, stimmt’s, Marsh?« Sein Dad rollte den Stuhl vorwärts und stieß Marshall mit der leeren Fußstütze ein letztes Mal an.
    Marshall hatte die Taschenlampe auf die Stufen gerichtet und machte seinen ersten Schritt in die Finsternis hinab.
    »Sehen Sie? Ich hab Ihnen ja gesagt, dass er die Dunkelheit mag«, erklärte sein Dad.
    Aber für Marshall ging es hier um weit mehr als nur um die Dunkelheit. Er hatte seit Jahren den Tratsch über Pastor Riis gehört. Vor zwei Jahren hatte Bobby McNamera private Bibelstunden besucht, die Riis in seinem Keller abhielt. Kurz danach war Bobby unvermittelt weggezogen, ohne sich zu verabschieden. Man hatte nie wieder etwas von ihm gehört. Jedes Kind in der siebten Klasse wusste: Geh nicht in den Keller des Pastors.
    »Sei nur vorsichtig!«, rief die Frau des Pastors, als Marshall weiter hinunterging. Die feuchte Luft stieg ihm in die Nase. Das Wasser war ziemlich hoch und reichte bis zur fünften Stufe von unten. Marshall klemmte sich die Taschenlampe in die Achselhöhle, hielt die Kamera über seinen Kopf und drückte auf den Auslöser. Ein Blitzlicht flammte auf, und ein Foto surrte aus dem Schlitz. Er machte sich nicht einmal die Mühe, einen Blick darauf zu werfen.
    Als er noch eine Stufe hinabstieg, wurde sein Fuß vom eisigen Wasser verschluckt. Es drang in seine Turnschuhe und machte einen Schwamm aus seinen Socken. Mit dem nächsten Schritt war das Wasser bereits über seinen Knöcheln, dann stieg es bis zu seinen Waden, seinem Knie, seinen Schenkeln. Als er die letzte Stufe erreichte, hielt er die Kamera höher über seinen Kopf als ein Soldat sein Gewehr, wenn er durch einen Fluss watet. Das Wasser bedeckte seine Oberschenkel und reichte fast bis zu seinen Hoden. Es war eiskalt, aber Marshall schwitzte.
    »Achte darauf, dass du wirklich alles fotografierst! Sie müssen sehen,wie schlimm es ist!«, rief sein Dad, obwohl Marshall nur an Bobby McNamera denken konnte. Er hatte gehört, dass man ihn in eine Irrenanstalt gesteckt hatte, aber niemand wollte das bestätigen.
    Er watete durch das Wasser, das sich an seine Schenkel zu klammern schien und ihn beim Gehen behinderte. Marshall erwartete nicht, auf menschliche Knochen zu stoßen oder auf Ketten, die von den Wänden

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