Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
es nicht viel, was man durchsuchen konnte. Schreibtisch, Bett, Schrank.
»Ich habe dir doch gesagt, dass sie nicht hier sind«, sagte Marshall und ging zu dem mehrbändigen Lexikon, das zwei Reihen eines Buchregals in der Ecke einnahm. Er nahm ein paar Lexika vom obersten Regal und deutete auf die leere Stelle hinter den Büchern. »Siehst du? Alles weg.«
»Und da hast du sie alle versteckt? Hinter den Lexika?«
»Sei nicht so herablassend. Wenigstens benutze ich meine Enzyklopädie.«
»Ja, als ein Versteck.«
»Und dazu noch ein gutes. Sie waren hinter dem Buchstaben F versteckt. Kapiert? Für Freunde. «
»Ja, ich hab’s kapiert!« Beecher folgte Marshall in den Flur. »Aber dass jemand in dein Zimmer einbricht …«
»Alles klar bei euch, Jungs?«, fragte eine Frauenstimme.
Links von ihnen im Flur stand Marshalls Mutter auf dem verschlissenen Teppich, der zwei eingefahrene Rillen von dem Rollstuhl hatte. Sie trug einen frisch gebügelten schwarzen Rock, weiße Handschuhe und ihren gelben Lieblingsblazer. Kirchenkleidung, das heißt in letzter Zeit Arbeitskleidung.
»Du hast gesagt, du würdest heute zu Hause bleiben. Es ist Samstag«, sagte Marshall.
»Ich gehe nur für ein paar Stunden. Um alles für morgen vorzubereiten«, erklärte sie. »Ah, Liebling, ich soll dir etwas ausrichten: Wenn dein Vater nach Hause kommt, möchte er, dass du mit ihm zu Dr. Pollacks Haus fährst. Auf seinem Dachboden ist ein Nest mit toten Ratten, und du musst hochklettern und Fotos machen.«
Marshall nickte, als Beecher ihn von hinten anstieß.
»Mom, eins noch, bevor du gehst: War vielleicht jemand in meinem Zimmer?«
»In deinem Zimmer?« Sie war eindeutig verwirrt.
»Oder im Haus? Ich weiß nicht, vielleicht gestern Abend oder heute Morgen. Sind irgendwelche Freunde zu Besuch gekommen?«
Marshalls Mutter tippte mit dem Zeigefinger gegen ihre Nase, während sie nachdachte. »Ich glaube nicht. Ich meine, bis auf Pastor Riis.«
Marshall wurde stocksteif. »Der Pastor war hier?«
»Nur zwei Minuten. Ich glaube, du warst gerade in der Dusche. Er hat einen Entwurf seiner Predigt vorbeigebracht, damit ich einen Blick darauf werfe.«
Beecher warf seinem Freund einen vielsagenden Blick zu. Mehr brauchten sie nicht zu wissen.
»Habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte Marshalls Mutter.
»Nein, großartig. Danke, Mrs. Lusk.« Beecher zog Marshall an seinem Hemd mit sich die Treppe hinunter. Keiner von ihnen sagte ein Wort, bis sie die Küche erreicht hatten.
»Dieser verfluchte Hundesohn … Er hat meine gestohlenen Pornos gestohlen!«, zischte Marshall.
»Noch schlimmer finde ich, dass er dafür in dein Zimmer gegangen ist.«
»Genau. Außerdem ist er noch in mein Zimmer gegangen! Und er hat meine Sachen durchwühlt! Ist es nicht schon schlimm genug, dass er versucht, meine Mutter zu bumsen?«
»Marsh, he! Das ist überhaupt nicht komisch!«
»Ich bin nicht taub, Beecher. Ich höre, was die Leute sagen. Hast du gesehen, wie sie heute angezogen ist? Wie viele Kirchensekretärinnen bekommen zu Hause persönliche Besuche vom Pastor?«
Beecher widersprach nicht, während er die Fliegentür aufstieß und Marshall in den Hof folgte. Er hatte dieselben Gerüchte gehört. Aber es war das erste Mal, dass Marshall das Thema zur Sprache brachte.
»Die Frage ist, was sollen wir ihnen sagen, wegen der Pornos?« Marshall deutete auf das Baumhaus, in dem Paglinni und die anderen warteten.
»Ich glaube nicht, dass das ein Problem ist.«
Marshall folgte Beechers Blick und sah zum Baumhaus hoch. Sie konnten aus diesem Winkel zwischen dem Plexiglasfenster und der offenen Tür ins Innere sehen. Es war leer. Paglinni, Mackles und selbst Lee Rosenberg, alle ihre neuen Freunde waren verschwunden.
Marshall riss die Augen auf und schwankte, während er zu dem Baumhaus hinaufblickte. Er sah aus, als wollte er aus der Haut fahren.
»Weißt du, was das Traurige ist?«, fragte er schließlich. »Ich verüble es ihnen nicht einmal, dass sie uns wegen der Pornos ausgenutzt haben. Es war besser, als allein zu sein.«
»Sie kommen wieder.«
»Das werden sie nicht, Beecher.«
»Doch, das werden sie. Vor allem, wenn wir, falls wir …« In Beechers Stimme schwang eine Mischung aus Verheißung und Verzweiflung mit. »Wenn wir sie wieder von ihm zurückholen?«
»Was?«
Beecher schwieg einen Moment, während die Einzelheiten des Plans sich in seinem Kopf zusammenfügten. Wenn er in ein paar Stunden daran zurückdachte, sollte er sich
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