Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
neben den Sitzsack und nahm Marshall in die Arme. »So funktioniert Gott nicht, Marshall. Hörst du mich? Gott macht so etwas nicht«, sagte Riis, während Marshall an seine Brust sank.
Etliche Minuten lang schluchzte Marshall nur und schniefte. Schließlich war der Ausbruch vorbei. Er war erschöpft.
»Allerdings muss ich sagen, dass du wohl meinen Pullover ruiniert hast«, scherzte Pastor Riis und deutete auf den Schnodder, der auf seiner Brust klebte.
Selbst Marshall musste lachen. Er wich ein Stück zurück, hob seine Brille hoch und wischte sich mit dem Handballen die Augen. »Es tut mir nur leid, dass ich Ihnen so viel Schmerzen bereitet habe.«
»Du schuldest mir keine Entschuldigung«, sagte der Pastor. »Ein erfahrungsreiches Leben ist sehr viel erfüllender als ein segensreiches und unschuldiges Leben. Weißt du, wer das gesagt hat?«
»Jesus.«
»Nein, nicht Jesus. William Blake. Er ist auch ziemlich gut.«
Marshall musste lächeln. »Das ändert aber nichts daran, dass meine Mutter tot ist. Ich habe mein Leben ruiniert.«
Pastor Riis setzte sich wieder auf die Milchkiste und riss den Fadenvom Bund seines Pullovers ab. »Marshall, hast du jemals von Harry Houdini gehört?«
»Natürlich. Ich habe letztes Jahr einen Aufsatz über ihn geschrieben. Er ist der größte Magier der Welt.«
»Und er ist ein Entfesselungskünstler. Ein Magier und ein Entfesselungskünstler. Wusstest du, dass er aus Wisconsin kommt? Er ist nicht weit von hier entfernt geboren.«
»In Appleton. Ich weiß. Das stand auch in meinem Aufsatz.«
»Dann weißt du auch, dass seine Mutter nach dem Tod seines Vaters wollte, dass er eine Arbeit in der Fabrik annahm, um die Familie zu unterstützen. Aber Houdini folgte dem Ruf seines Herzens, ging zum Zirkus und wurde schließlich der berühmteste Künstler seiner Zeit. Eine großartige Geschichte, nicht wahr? Aber weißt du auch, welcher seiner Entfesselungstricks sein größter war?«
»War es der, wo er anderthalb Stunden in einem Sarg am Boden eines Pools liegt?«
»Dieser Trick hat ihn das Leben gekostet. Nein, ich meine seinen besten.«
»Der Wassertrick, wo er gefesselt in ein Aquarium abgesenkt wird?«
»Nein.«
»Dann weiß ich es nicht. Vielleicht der, bei dem er von der Brücke springt, oder wo man ihn in einen riesigen Milchtank steckt … Es sind alles dieselben Tricks.«
»Du hast recht. Es sind alles dieselben Tricks. Aber weißt du, welcher Trick der beste war, Marshall? Als Houdini Wisconsin entkam und sein Leben lebte.«
Marshall drehte sich schniefend zum Pastor herum und sog alles in sich hinein. Er starrte durch das Plexiglasfenster auf das Dach seines Hauses. Seines alten Hauses.
»Pastor Riis, darf ich Ihnen eine dumme Frage stellen? Wie weit ist Toledo von Michigan entfernt?«
»Kaum eine Stunde. Warum?«
»Einfach so. Ich dachte nur, falls Sie sich jemals langweilen oder so, ich weiß nicht, vielleicht könnten Sie mich dann besuchen.«
Pastor Riis hockte auf seiner Milchkiste, stützte die Ellbogen aufdie Knie und grinste, aber nur mit den Augen. »Das würde mir gefallen. Und auch wenn ich mich nicht langweilen sollte, falls du jemals jemanden brauchst, mit dem du reden möchtest, oder hören willst, wie ich aus meinen alten Predigten zitiere, dann lass es mich wissen. Ich werde kommen.«
Er meinte es ernst.
Während der nächsten zehn Jahre hielt Pastor Riis Kontakt mit Marshall. Er gab ihm Ratschläge, er besuchte Michigan und, obwohl er Marshall das niemals erzählte, half er seinem Dad mit Geld aus, als der krank wurde und die Krankenhausrechnungen immer größer wurden. Selbst als es Marshalls Dad besser ging und der heranwachsende Marshall nach diesem Vorfall in East Lansing verhaftet wurde und dann noch einmal verhaftet wurde, als er bereits über zwanzig war, kümmerte sich Pastor Riis um ihn. Er schrieb ihm und gab sich Mühe, Marshall aus den Schwierigkeiten herauszuholen, die ihn immer irgendwie zu finden schienen.
Es war Riis, der als Erster vorschlug, Marshall sollte zum Militär gehen. Denn Riis war ebenfalls beim Militär gewesen. Diese Entscheidung sollte Marshalls Leben für immer verändern.
Als Marshall also vor drei Wochen gehört hatte, dass Pastor Riis gestorben war, und er herausgefunden hatte, dass jemand ihm mit einer merkwürdigen antiken Pistole in die Brust geschossen hatte, schwor er, dass er die Tore der Hölle aus den Angeln heben würde, um die Person zu finden, die dafür verantwortlich war.
»Vielleicht
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