Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
weswegen Gott ihn in Lincolns Kirche geschickt hatte. Hier in D. C. spürte er, wie die größte Bedrohung der Kirche sich erneut erhob. Jeder Präsident hat Macht, aber das hat die Kirche auch. Für Frick war jetzt jedoch klar, warum die Balance zwischen beiden sich veränderte. Die Welt blickte nicht auf die Kirche, um moralische Anleitung zu bekommen, sondern sie sah zu, wie der Präsident den Namen von Christus und alles, wofür er stand, lächerlich machte.
War es da ein Wunder, dass die Gemeinschaft der Gläubigen immer kleiner wurde, dass Kirchenmitglieder austraten oder sich weigerten, überhaupt noch an Gott zu glauben? Die heutige Kirche war zu einem Gemeindezentrum verkommen, in das die Leute mit Rendezvous-Nächten und Fruchtsmoothies gelockt werden mussten. Es wurde Zeit, dieser Verschmutzung Einhalt zu gebieten, dem Sakrileg ein Ende zu bereiten und dafür zu sorgen, dass die reine Kirche mit ihrer ursprünglichen Bestimmung wieder zurückkehrte.
Der Präsident verbarg sein Ziel nicht einmal. Er sagte es Frick direktins Gesicht. Er wollte alle Stimmen, die der Christen, der Juden und der Muslime zusammenbringen. Der Präsident wollte alles tun, was in seiner Macht stand, um dieses Land zu vereinen. Wie Lincoln! Wie JFK! Wie jeder König, dessen wachsender Einfluss die kirchliche Macht herausforderte. Die Kirche hatte in letzter Zeit schon sehr viel verloren. Weitere Verluste konnte sie sich nicht leisten.
Frick wusste, dass er Hilfe brauchen würde. Er wusste, dass er es nicht alleine bewerkstelligen konnte. Deshalb suchte er jemanden, der Erfahrung mit so etwas hatte, und so kam er auf Nico. Dann erfuhr er, dass eines seiner Gemeindemitglieder, Rupert, mit Nico arbeitete. Dann hörte er die Geschichten von Nico, all das, was zuvor geschehen war.
Vor vielen Jahrhunderten hatte Vignolles den Orden der Ritter des Goldenen Zirkels gegründet, um den Namen Gottes zu schützen. Aber selbst Vignolles hatte gewusst, dass er in Wirklichkeit die Macht der Kirche beschützte. Wenn sich dieses Machtverhältnis zwischen Kirche und Staat veränderte, dann traten Ritter wie Booth, Guiteau, Czolgosz und Oswald ins Rampenlicht und sorgten wieder für eine angemessene Balance. Jetzt war Frick an der Reihe. Jemand musste diesen Bürgerkrieg und diese Blasphemie beenden.
Durch Nicos Hilfe wurde alles so klar. Wie hätte das nicht Fricks Mission sein sollen? Er hielt sich für den Auserwählten! Frick war der letzte Ritter! Aber wenn Frick die Sache jetzt betrachtete, wenn er sich umsah und registrierte, was übrig war, verstand er. Frick begriff es endlich. Er war nie der Auserwählte gewesen. Von Anfang an hatte er falsch gelegen. Der Auserwählte war schon immer jemand anders gewesen.
Nico.
Nico war der letzte Ritter. Und seine Mission begann gerade erst.
Es war dieser letzte Gedanke, der Gedanke an Nico und seine bevorstehende Mission, die durch Fricks Hirn schoss, als der rote Kreis zu einem winzigen Stecknadelkopf zusammenschrumpfte und die Welt schwarz wurde. Dieser Gedanke und die Tatsache, dass er zumindest in einem Punkt richtig gelegen hatte. Er würde diesen Tag nicht überleben.
109. KAPITEL
Achtzehn Jahre früher
Sagamore, Wisconsin
Es war eine Beerdigung mit nur wenigen Teilnehmern. Auch wenn das nicht beabsichtigt gewesen war.
In einer Stadt, die so wachsam und religiös war wie Sagamore, verbreiteten sich Urteile noch schneller als Tratsch. Vor allem Urteile wie dieses.
Sie ernannten Marshall zu einem der Sargträger. Seinen Vater ebenfalls. Aber da man weder einem Zwölfjährigen noch einem beidseitig Unterschenkelamputierten zumuten konnte, etwas Schweres zu heben, legten sein Dad und er einfach ihre offenen Handflächen auf den Deckel des Sarges, als der auf dem Metallkarren zu dem Grab gefahren wurde.
Das war morgens gewesen.
Jetzt war es dunkel, fast zweiundzwanzig Uhr. Aber für Marshall, der allein im Schein einer kleinen Laterne auf dem Teppich des Baumhauses saß und durch das Plexiglasfenster auf die letzten Besucher blickte, die sein Haus verließen, war das nicht einmal das Schlimmste. Die Beerdigung selbst war bereits undeutlich wie ein Schemen. Es war knapp eine Woche her, seit seine Mutter sich in ihren begehbaren Kleiderschrank gehockt, den Rosenkranz gebetet, sich dann eine Pistole in den Mund gesteckt und abgedrückt hatte. An diesem Punkt war er so wütend und verängstigt gewesen, dass er einfach nur wollte, dass alle endlich damit aufhörten, ihm zu sagen, dass alles
Weitere Kostenlose Bücher