Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
wäre es eine unumstößliche Tatsache, erwidert, dass er mich höchstpersönlich ausradieren würde. Wenn mir also zwei Secret-Service-Agenten noch vor acht Uhr morgensFragen stellen, weiß ich, dass ich in der Klemme sitze, ganz gleich, was sie wissen wollen.
»Ich komme gern schon um sieben«, gebe ich zurück. Der Miene des Agenten nach zu urteilen, ist das nicht neu für ihn. Ich überschlage kurz, welche Angestellten und Wächter möglicherweise gesehen haben, wie ich unten die Aufzeichnungen über die Präsidenten durchforstet habe, und dem Secret Service einen Tipp gegeben haben könnten. »Mir war nicht klar, dass es ein Problem darstellt, wenn man früh zur Arbeit kommt.«
»Das ist kein Problem«, erwidert Agent Harris ruhig. »Und um welche Zeit kommen Sie für gewöhnlich nach Hause? Genauer gefragt, um welche Zeit sind Sie letzte Nacht nach Hause gekommen?«
»Kurz nach acht«, erwidere ich. »Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie Totte. Er hat mich nach Hause gefahren und dort abgesetzt.« Ich stehe immer noch an der Tür meines Verschlages und habe den kostbaren Brief von Robert Todd Lincoln in meinen Händen, während ich auf Tottes Verschlag deute.
»Wie schön. Totte hat Sie also abgesetzt. Das bedeutet, er weiß nicht, wo Sie zwischen acht Uhr gestern Abend und etwa sechs Uhr heute Morgen gewesen sind, korrekt?« Das fragt der Agent mit dem Spitzbart, obwohl es nicht wie eine Frage klingt.
Jetzt erst fällt mir auf, dass keiner der beiden Männer ein Handmikrofon besitzt oder einen Minilautsprecher im Ohr stecken hat, wie alle Secret-Service-Agenten sie tragen, die den Präsidenten beschützen. Diese beiden sind also keine Leibwächter, sondern Ermittler. Trotzdem, die Aufgabe des Secret Service besteht darin, den Präsidenten zu beschützen. Der Culperring schützt das Präsidentenamt. Das ist ein nicht unerheblicher Unterschied.
»War gestern Nacht jemand bei Ihnen, Beecher?«, übernimmt Agent Harris wieder die Befragung.
Ich schüttle den Kopf. Totte wirft mir aus seinem Verschlag heraus einen vielsagenden Blick zu. Die Bärenfalle wird gleich zuschnappen.
»Tragen Sie immer Handschuhe bei der Arbeit?« Agent Harris deutet auf die weißen Baumwollhandschuhe.
»Nur wenn ich mit alten Dokumenten zu tun habe«, sage ich, alsich den Aktenordner aufschlage und ihnen das bräunliche, gefleckte Papier von Robert Todd Lincolns Brief zeige. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen …«
Sie treten von meinem Verschlag weg, aber nur ein kleines Stück.
Ich dränge mich zwischen ihnen hindurch und lege den Lincoln-Brief vorsichtig auf meinen Schreibtisch. Dabei bemerke ich, dass meine Tastatur etwas schräg steht und einer meiner Aktenhaufen schief ist. Sie haben meine Sachen also bereits durchsucht.
»Nehmen Sie diese Handschuhe auch mit nach Hause?«, will Agent Harris wissen.
»Bitte entschuldigen Sie«, erwidere ich. »Aber ich wüsste gerne … werde ich irgendeines Vergehens beschuldigt?«
Sie tauschen einen vielsagenden Blick.
»Beecher, kennen Sie jemanden namens Ozzie Andrews?«, fragt Agent Harris schließlich.
»Wen?«
»Sagen Sie mir einfach, ob Sie ihn kennen. Ozzie Andrews.«
»An einen so albernen Namen wie Ozzie würde ich mich mit Sicherheit erinnern.«
»Also haben Sie ihn niemals getroffen? Und den Namen auch nie zuvor gehört?«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Man hat einen Toten gefunden«, erwidert Agent Harris. »Ein Pfarrer in einer Kirche in der City wurde gestern etwa um Mitternacht ermordet. Man hat ihm die Kehle durchgeschnitten.«
»Das ist ja schrecklich.«
»Allerdings. Zu unserem Glück konnte die Polizei von D. C. einen Verdächtigen verhaften, als sie dort eintraf. Er nannte sich Ozzie. Er schlenderte aus dem Hintereingang, unmittelbar nach dem Mord. Und als die Beamten Ozzies Taschen durchsuchten, fanden Sie einen Zettel mit Ihrem Namen und Ihrer Telefonnummer in seiner Brieftasche.«
»Wie bitte? Das ist ja lächerlich.«
»Sie wissen also nichts über diesen Mord?«
»Selbstverständlich nicht!«
Schweigen.
»Beecher, wie würden Sie Ihre Meinung über Präsident Orson Wallace beschreiben?«, bricht Agent Harris schließlich die Stille.
»Was meinen Sie?«
»Ihre politischen Ansichten interessieren uns nicht. Aber da die St. John’s Church so nahe am Weißen Haus liegt … Sie verstehen das sicher. Wir müssen das fragen.«
Ich drehe mich zu Totte herum, der den Braten nicht mehr nur riecht; jetzt können wir ihn sogar sehen. Als der
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