Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
Lamm gestellt hatte, und da er auch noch Beecher im Auge behalten musste …
Es waren einige Korrekturen erforderlich gewesen.
In vielerlei Hinsicht war es für sein drittes Vorbild nicht anders gewesen. Drei Tage vor der Ermordung von Präsident McKinley hatte Leon Czolgosz den Revolver Kaliber 32 gekauft und war zur Stelle gewesen, als McKinley an der panamerikanischen Expo aus dem Zug gestiegen war. Zwei Tage zuvor hatte Czolgosz während einer Rede in unmittelbarer Nähe des Präsidenten gestanden, aber er war von der Menschenmenge abgedrängt worden. Und einen Tag zuvor war Czolgosz für einen Schuss nicht nahe genug herangekommen. Immer und immer wieder hatte man ihm Straßensperren vor die Nase gesetzt. Aber der Ritter der Stäbe verlor niemals seinen Glauben. Und richtig, als Czolgosz seine Pläne änderte, stieß er auf den Tempel der Musik.
Czolgosz nahm das als ein Zeichen.
Und an diesem Tag erfüllte sich Gottes Wille.
So wie es auch heute geschehen sollte.
Jetzt schaltete der Ritter das Licht in dem Lagerraum an. Ihm fielauf, wie viele Tiegel und Dosen hier die Aufschrift giftig trugen. Aber das weit tödlichere Objekt stand in einer Ecke. Er schob einen leeren Wischeimer zur Seite und trat an den medizinischen Rollwagen mit dem Schild Buchmobil. Er war mit Magazinen und gebrauchten Büchern vollgepackt.
Er kniete sich daneben, öffnete ein kleines Fach und zog eine braune Papiertüte heraus. Kinderheilkunde – Bitte nicht berühren.
In der Tüte befand sich die weiße Gipsmaske von Abraham Lincoln, die er in der letzten Nacht dort hingelegt hatte.
Der Ritter warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Fast 09:00 Uhr. Das war in etwa die Zeit, zu der Czolgosz den Musiktempel betreten hatte. Der Ritter schob die Maske unter seine Jacke und spürte dabei das Gewicht des Iver Johnson Kaliber 32 sowie des speziell angefertigten Schalldämpfers in seiner Manteltasche. Er war sich natürlich bewusst, dass Czolgosz keinen Schalldämpfer benutzt hatte. Andererseits musste man eben gewisse Kompromisse eingehen, wie auch schon beim Timing. Er öffnete die Tür des Lagerraums und trat in den gebohnerten Flur hinaus, an dessen Wänden Transportliegen aneinandergereiht standen.
Er hielt den Kopf gesenkt, um nicht von Doktoren und Schwestern angesprochen zu werden, die gerade ihre Schicht antraten. Der Ritter bemerkte nicht einmal den elektronischen Flügel im Aufenthaltsbereich auf der linken Seite, der eine langsame Version von Princes »Little Red Corvette« spielte. Er bog nach rechts ab und behielt sein Ziel im Auge, das sich am Ende des langen Ganges befand. Die Tür mit dem blau und gold gefärbten Glas. Die Krankenhauskapelle, der Ort, an dem man wahrscheinlich Pastorin Elizabeth Stoughton antreffen konnte.
Der Ritter hatte sie gestern gesehen. Ein weiblicher Kaplan. Eine Geistliche. Die zudem mit Präsident Wallace gebetet hatte.
Wie seine Vorgänger erkannte auch der Ritter ein Zeichen, wenn es sich ihm darbot. Pastor Frick hatte seinen Zweck erfüllt. Jetzt gab es ein neues Lamm. Ein frisches Lamm.
Mit frischem Blut.
Der Ritter warf einen letzten Blick auf seine Uhr. Er hatte es nichteilig. Wie Czolgosz war er ruhig und konzentriert. Aber aus genau diesem Grund versäumte er es, einen Blick über das Geländer zu werfen, als er an dem großen Treppenhaus vorbeikam, von dem aus man auf das Hauptatrium im Erdgeschoss hinabblicken konnte. Deswegen entging ihm auch die Person, die gerade eine Etage tiefer hereinkam.
»Beecher, wenn da irgendetwas passiert … Ganz gleich, was«, flüsterte Totte in sein Handy, als er durch die automatischen Türen trat und sich dem Empfangstresen näherte, »rufst du Tad an, damit er die Nachricht weiterleitet.«
»Verstehe. Ich weiß deine Sorge wirklich zu schätzen, Totte«, erwiderte Beecher.
Totte wollte noch etwas sagen, aber der Mann am Empfangstresen winkte ihn zu sich heran. Totte grinste gezwungen und gab ihm seinen Führerschein.
Es gab noch so viel, was Beecher nicht wusste, sowohl über den Culperring als auch darüber, was wirklich mit dem Präsidenten los war, und sogar, was Totte selbst anging. Aber Totte war bereits lange genug dabei und wusste, dass man kleinere Wunden erst versorgte, wenn man mit den großen fertig ist.
»Ich will zu Pastor Frick. Er liegt im dritten Stock«, sagte Totte zu dem Mann an der Rezeption.
Der Computer klickte, als die Kamera Tottes Foto aufnahm.
»Hör zu, Totte, ich muss los«, sagte Beecher am anderen
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