Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
und Metalldetektor geführt und von einem elektro-chemischen Spürhund, der unsichtbarim Rahmen des Gerätes eingebaut ist, auf Drogen gecheckt. Als ich durch die Glastüren in den glänzenden, gut ausgeleuchteten Raum trete, der als Besucherbereich dient, wird klar, dass das meiste Geld in diesem neuen Gebäude für die Sicherheit ausgegeben worden ist.
Ich kann es ihnen nicht verübeln.
Hier lebt unter anderem John Hinckley, der auf Präsident Reagan geschossen hat. Und ein Mann, der seine Frau und seine drei Kinder ermordet und sie dann wieder in ihre Betten gelegt hat. Er hat wochenlang mit ihren verwesenden Leichen gelebt. Aber was den berühmtesten Patienten angeht …
»Er ist unterwegs«, sagt ein uniformierter Wachmann, bevor er die Glastür hinter mir schließt. Er lässt mich allein in dem geräumigen Besucherbereich, der den Charme einer Firmen-Cafeteria hat. Es gibt weder Fotos noch Bilder oder sonstige Dekorationen an den beigefarbenen Wänden. Alles ist brandneu, einschließlich der etwa ein Dutzend leeren runden Tische. Sie alle bestehen aus klarem, unzerbrechlichem Plexiglas, das verhindert, dass man etwas darunter verstecken kann.
Als ich Nico das letzte Mal gesehen habe, nannte er mich nur bei meinem Mittelnamen, Benjamin. Er sagte mir, er sei die Reinkarnation von George Washington und ich sei Benedict Arnold, und Gott selbst habe uns zusammen auf diese Mission geschickt.
Ich weiß, das ist Quatsch. Aber unwillkürlich muss ich an das denken, was Totte mir heute Morgen über die Ritter berichtet hat, über die Spielkarten und die Anschläge auf die Pastoren. Keine Frage, der Mörder, nach dem wir suchen, ob er zu den Rittern des Goldenen Zirkels gehört oder nicht, betrachtet das, was er tut, als seine heilige Mission. Und ich bin nur noch Sekunden davon entfernt, dem Großmeister aller heiligen Missionen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten.
Auf der anderen Seite des Raumes ertönt das dumpfe metallische Geräusch, mit dem sich ein magnetisches Schloss öffnet.
Mein Magen krampft sich unwillkürlich zusammen, als ich sehe, wie die schwere Tür aufschwingt.
Er hat keinen Wächter dabei, sondern nur eine Schwester, die ihrenKopf durch die Tür steckt, sich kurz umsieht und sich davon überzeugt, dass alles ruhig ist.
»Nico, wenn du irgendetwas brauchst …«, beginnt sie.
»Ich brauche nichts«, erwidert er. Dann mustert er mich mit seinen eng zusammenstehenden Augen. Er schlängelt sich durch das Minenfeld der Plexiglastische. Seine Lippen bilden zwar eine schmale Linie, aber das Lächeln ist unverkennbar.
»Frohen Tag der Präsidenten , Benjamin. Ich freue mich sehr, dass du gekommen bist, um ihn mit mir zu feiern.«
69. KAPITEL
6. September 1901
Buffalo, New York
Dieser Tag auf der panamerikanischen Expo hätte der größte Tag im Leben von Präsident McKinley werden sollen.
Zunächst einmal liebte der Präsident Weltausstellungen.
Zweitens, und das war nicht unerheblich, befand sich Präsident McKinley auf dem Höhepunkt seiner Macht. Er hatte vor wenigen Monaten seine zweite Amtszeit angetreten. Und erst am Tag zuvor hatte er die Expo genutzt, um dort die Rede seines Lebens zu halten. Er forderte »Eintracht, nicht Zwietracht« und verkündete: »Gott und die Menschen haben die Nationen miteinander verbunden.« Damit beschwor er das, was viele für das Vermächtnis von George Washington hielten, wie er es in seiner Abschiedsrede formuliert hatte.
Nach einem atemberaubenden Besuch des Naturwunders der Niagarafälle am Morgen erlebte der Präsident einen wundervollen Tag. Bis sein Sekretär, ein kluger Mann und Angehöriger des Culperrings namens George B. Cortelyou, sagte, dass er ein ungutes Gefühl habe, was den Besuch im Musikpavillon angehe, den großen öffentlichen Auftritt am Nachmittag. Cortelyous Ansinnen, der Präsident möge den Empfang auslassen und sich stattdessen etwas Ruhe gönnen, lehnte McKinley rundheraus ab.
»Warum sollte ich das tun?«, erkundigte sich der Präsident. »Niemand will mir etwas antun.«
Selbstverständlich wusste der Präsident nichts von Leon Czolgosz, dem blassen, blauäugigen achtundzwanzigjährigen Mann, der in dem großen Tempel des Musikpavillons auf ihn wartete.
Wie schon Guiteau war auch Czolgosz klein und zierlich.
Und wie John Wilkes Booth trug er einen Schnauzbart.
Und wie sie beide war er bestens vorbereitet und so früh zu demEreignis gekommen, dass er einen hervorragenden Platz direkt an der Bühne
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