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Der fünfte Elefant

Der fünfte Elefant

Titel: Der fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Lager von Blutaxt dazu, ihn passieren zu lassen. Die Zwerge glauben, die Wahrheit sei einst ein
Gegenstand
gewesen, eine Art seltenes Metall, und der letzte Teil davon steckt in der Semmel. Die Wächter können sich nicht widersetzen, weil die Wahrheit so mächtig ist. In dem Lied geht es darum, dass sich die Liebe – wie auch die Wahrheit – immer offenbart, so wie der Rest Wahrheit in der Semmel das ganze Objekt wahr werden lässt. Es ist eins der besten Musikstücke auf der ganzen Welt, und Gold wird darin kaum erwähnt.«
    Mumm blinzelte. Er verlor schon den Überblick bei Liedern, die komplexer waren als solche mit Titeln wie »Wohin ist die ganze Vanille verschwunden (Aspik ist einfach kein Ersatz)?«
    »Blutaxt und Eisenhammer«, murmelte er und merkte, dass ihm die in der Nähe sitzenden Zwerge verärgerte Blicke zuwarfen. »Welcher von ihnen…«
    »Grinsi hat es dir doch gesagt. Es sind beides Zwerge«, erwiderte Sybil scharf.
    »Ah«, brummte Mumm verdrießlich.
    Was das anging, spürte er immer eine gewisse Unsicherheit. Es gab Männer, und es gab Frauen – so viel stand fest. Sam Mumm war ein sehr unkomplizierter Mann in dem, was manche Dichter als »Arena der Liebe« 18 bezeichneten. Er wusste, dass es in den Schatten von Ankh-Morpork Leute gab, die ausgesprochen phantasievoll an diese Sache herangingen. Mumm begegnete dem Phänomen mit der gleichen Einstellung, die er einem fernen Land entgegenbrachte: Er war nie dort gewesen und von solchen Dingen nicht betroffen. Es erstaunte ihn, was sich manche Leute einfallen ließen, wenn sie Zeit hatten.
    Er konnte sich kaum eine Welt ohne Karte vorstellen. Die Zwerge ignorierten den Sex nicht etwa; sie schienen ihn nur nicht für
wichtig
zu halten. Wenn Menschen auf die gleiche Weise denken würden, wäre Mumms Arbeit wesentlich einfacher.
    Offenbar folgte nun eine Sterbebettszene. Mumm kannte nur ein paar Brocken Straßenzwergisch aus Ankh-Morpork, deshalb fiel es ihm schwer, den dargestellten Ereignissen zu folgen. Jemand starb, und jemand anders bedauerte das sehr. Beide Hauptsänger hatten Bärte, in denen man ein ganzes Huhn verstecken konnte. Ihre Schauspielerei beschränkte sich darauf, gelegentlich dem anderen Sänger zuzuwinken.
    Überall um sich herum vernahm Mumm leises Schluchzen, und mehrere Nasen wurden recht laut geputzt. Selbst Sybils Unterlippe zitterte.
    Mumm hätte am liebsten gesagt: Es ist doch nur ein Lied. Mit der Wirklichkeit hat es nichts zu tun. Verbrechen und Straßen und die Verfolgung von Schurken… Das ist die Realität. In Ankh-Morpork kommt ihr nicht weit, wenn ihr einem bewaffneten Wächter mit einem Brötchen zuwinkt…
    Die Oper bekam jene Art von Applaus, die verriet, dass die Anwesenden nicht verstanden hatten, worum es ging, sich aber dazu verpflichtet fühlten, alles verstanden zu haben.
    Nach der Aufführung bahnte sich Mumm einen Weg durch das Gedränge. Dee sprach mit einem in Schwarz gekleideten und kräftig gebauten jungen Mann, der irgendwie vertraut wirkte. Mumm schien auf ihn einen ähnlichen Eindruck zu machen, denn er nickte ihm ein wenig arrogant zu.
    »Ah, Euer Gnaden Mumm«, sagte er. »Hat dir die Oper gefallen?«
    »Besonders der Teil, der das Gold betraf«, erwiderte Mumm. »Und du bist…«
    Der Mann schlug die Hacken zusammen. »Wolf von Überwald!«
    Irgendetwas machte »Klick« hinter Mumms Stirn, und seine Augen nahmen Details wahr: die Schneidezähne ein wenig zu lang, das blonde Haar am Hals recht dicht…
    »Anguas Bruder?«, fragte er.
    »Ja, Euer Gnaden.«
    »Wolf der Wolf, wie?«
    »Danke, Euer Gnaden«, sagte Wolf würdevoll. »Das ist sehr komisch. Ja, wirklich! Schon seit langer Zeit habe ich diesen Witz nicht mehr gehört! Ankh-Morporks Sinn für Humor!«
    »Aber du trägst Silber an deiner… Uniform. Diese… Abzeichen. Wolfsköpfe, die nach Blitzen schnappen…«
    Wolf zuckte mit den Schultern. »Ah, so etwas fällt einem Polizisten natürlich sofort auf. Nun, es ist kein Silber, sondern Nickel.«
    »Das Regiment kenne ich nicht.«
    »Wir sind mehr eine… Bewegung«, sagte Wolf.
    Auch die Haltung ähnelte der Anguas: eine selbstsichere Kämpfe-oder-Flucht-Pose; der ganze Körper wirkte wie eine gespannte Feder, deren Kraft sich jederzeit entladen konnte, und zwar ohne die Option »Flucht«. Wenn Angua schlechte Laune hatte, neigten Menschen in ihrer Nähe unbewusst dazu, den Kragen hochzuschlagen. Aber die Augen waren anders. Sie sahen nicht wie die Anguas aus, ließen sich nicht

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