Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fünfte Elefant

Der Fünfte Elefant

Titel: Der Fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
zwar deshalb, weil jemand die
    Steinsemmel gestohlen hat. Das ist genau die richtige Gelegenheit, um sehr förmlich und tüchtig zu wirken und sinnlose Aktivität zu
    entfalten. Oder willst du etwa behaupten, dass die Wächter letzte
    Woche jedes Fass öffneten und jede Ladung Heu untersuchten?
    Und das sogar bei den ankommenden Karren? Siehst du Dee?
    Blickt er in meine Richtung?«
    Grinsi spähte an Mumm vorbei.
    »Nein, Herr.«
    »Gut.«
    Mumm ging zum Tunnel, presste den Rücken gegen die Wand,
    holte tief Luft und stemmte dann die Füße an die gegenüberlie-
    gende Wand. Vorsichtig bewegte er Schulterblätter und Füße,
    schob sich zentimeterweise über die Platten der Brückenwaage
    hinweg und schnitt eine Grimasse, als seine Knie protestierten.
    Schließlich kehrte er auf den Boden zurück und ging zu Dee, der
    noch immer mit den Wächtern sprach.
    »Wie…«
    »Schon gut«, sagte Mumm. »Begnügen wir uns mit der Feststel-
    lung, dass ich größer bin als ein Zwerg, in Ordnung?«
    »Hast du den Fall gelöst?«
    »Nein. Aber ich habe eine Idee.«
    »Wirklich?«, fragte Dee. »Tatsächlich? Und wie lautet sie?«
    »Ich arbeite noch daran«, erwiderte Mumm. »Aber du kannst von
    Glück sagen, dass du vom König aufgefordert worden bist, dich an
    mich zu wenden. Eins habe ich nämlich herausgefunden: Kein Zwerg wird dir die richtige Antwort geben.«

    Die Oper war fast zu Ende, als Mumm neben Sybil Platz nahm.
    »Habe ich irgendetwas verpasst?«, fragte er.
    »Die Aufführung ist sehr gut. Wo bist du gewesen?«
    »Du würdest es mir nicht glauben.«
    Er blickte zur Bühne, ohne sie bewusst wahrzunehmen. Zwei
    Zwerge täuschten dort mit großer Akribie einen Kampf vor.
    Also gut. Wenn es sich um eine politische Sache handelte, so
    ging es dabei um… Politik. In der Politik konnte er nicht viel un-
    ternehmen, woraus folgte: Er stellte sich die ganze Sache besser als ein Verbrechen vor…
    Was war die einfache Lösung? Vielleicht sol te er hier die erste Regel der Polizeiarbeit anwenden: das Opfer verdächtigen. Allerdings
    wusste Mumm nicht genau, wer in diesem Fal das Opfer war. Al-
    so: den Zeugen verdächtigen. So lautete eine weitere gute Regel. Der inzwischen tote Dösig hätte die Steinsemmel stehlen und ihr Verschwinden erst einige Tage später »entdecken« können. Er wäre zu
    praktisch al em fähig gewesen. Die Art und Weise, wie die Semmel
    bewacht wurde, war ein Witz. Da hätten selbst Nobby und Colon
    bessere Arbeit geleistet. Sogar viel bessere, fügte Mumm in Gedanken hinzu, denn sie waren hinterhältig und deshalb Polizisten ge-
    worden. Die Wächter der Steinsemmel waren ehrenwerte Zwerge, und gerade solchen Leuten durfte man nichts anvertrauen. Für eine so wichtige Aufgabe brauchte man Personen mit der richtigen
    Mischung aus Schläue und Gemeinheit.
    Andererseits ergab die Sache mit Dösig keinen Sinn. Der Ver-
    dacht musste sofort auf ihn fal en. Mit den Gesetzen der Zwerge kannte sich Mumm nicht sehr gut aus, aber er vermutete, dass ein
    Hauptverdächtiger kaum mit einer rosigen Zukunft rechnen durf-
    te, vor al em dann, wenn sich keine andere Lösung des Fal s anbot.
    Vielleicht war er nach sechzig Jahren des Kerzenwechselns über-
    geschnappt. Nein, auch das klang nicht richtig. Wer einen solchen
    Job zehn Jahre lang ertrug, würde den Gleisen der Routine wahr-
    scheinlich bis in alle Ewigkeit folgen. Außerdem weilte Dösig jetzt
    in der großen Goldmine im Himmel oder tief im Boden, oder wo
    auch immer Zwerge das Paradies vermuteten. Er konnte keine
    Fragen mehr beantworten.
    Ich bin in der Lage, diesen Fall zu lösen, dachte Mumm. Alles Notwendige war vorhanden. Es kam nur darauf an, die richtigen
    Fragen zu stellen und in den richtigen Bahnen zu denken.
    Sein Mumm-Instinkt versuchte, ihm noch etwas anderes mitzu-
    teilen.
    Dies war ein Verbrechen – wenn man den Umstand, dass jemand ein Objekt als Geisel hielt, kriminel nennen konnte. Aber es handelte sich nicht in dem Sinne um das Verbrechen.
    Es gab hier noch ein anderes Verbrechen. Mumm wusste es mit
    der gleichen Gewissheit, mit der ein Fischer am gekräuselten Was-
    ser den Schwarm erkannte.
    Auf der Bühne ging der Kampf weiter. Er kam nur langsam vor-
    an, weil er nach jeweils einigen vorsichtigen Axthieben für ein Lied unterbrochen wurde, bei dem vermutlich Gold im Mittelpunkt
    stand.
    »Äh, worum geht es eigentlich?«, fragte er.
    »Die Oper ist fast vorbei«, flüsterte Sybil. »Eigentlich wurde nur
    ein Teil

Weitere Kostenlose Bücher