Der Fünfte Elefant
diesen Witz
nicht mehr gehört! Ankh-Morporks Sinn für Humor!«
»Aber du trägst Silber an deiner… Uniform. Diese… Abzeichen.
Wolfsköpfe, die nach Blitzen schnappen…«
Wolf zuckte mit den Schultern. »Ah, so etwas fällt einem Polizis-
ten natürlich sofort auf. Nun, es ist kein Silber, sondern Nickel.«
»Das Regiment kenne ich nicht.«
»Wir sind mehr eine… Bewegung«, sagte Wolf.
Auch die Haltung ähnelte der Anguas: eine selbstsichere Kämp-
fe-oder-Flucht-Pose; der ganze Körper wirkte wie eine gespannte
Feder, deren Kraft sich jederzeit entladen konnte, und zwar ohne
die Option »Flucht«. Wenn Angua schlechte Laune hatte, neigten
Menschen in ihrer Nähe unbewusst dazu, den Kragen hochzu-
schlagen. Aber die Augen waren anders. Sie sahen nicht wie die
Anguas aus, ließen sich nicht einmal mit den Augen eines Wolfs
vergleichen.
Kein Tier hatte solche Augen. Aber Mumm hatte sie gelegentlich
in Ankh-Morporks weniger gesunden Kneipen gesehen: Wenn
man Glück hatte, kam man dort durch die Tür nach draußen, be-
vor der letzte Schluck einen blind werden ließ.
Colon nannte solche Leute »Flaschenbrut«, und Nobby sprach
von »verdammten Irren«. Wie auch immer die Bezeichnung lauten
mochte: Mumm erkannte einen Mistkerl, der keine Skrupel hatte,
mit dem Kopf durch die Wand ging und nicht davor zurück-
schreckte, anderen Leuten die Augen auszukratzen. Bei einem
Kampf blieb einem nichts anderes übrig, als ihn umzubringen,
andernfal s würde er al es versuchen, um einen zu töten. Die meis-
ten Randalierer in Kneipen gingen nicht so weit, denn inzwischen
hatte sich herumgesprochen, dass der Mörder eines Polizisten und
seine Komplizen mit ziemlich unangenehmen Konsequenzen
rechnen mussten. Aber ein echter Mistkerl scherte sich nicht darum, weil sich sein Gehirn an einem anderen Ort aufhielt, während
er kämpfte.
Wolf lächelte. »Gibt es ein Problem, Euer Gnaden?«
»Was? Nein. Ich habe nur… nachgedacht. Sind wir uns schon
einmal begegnet?«
»Heute Morgen hast du meinen Vater besucht.«
»Ah, ja.«
»Wir wechseln nicht immer die Gestalt, wenn Besucher kom-
men«, sagte Wolf. In seinen Augen flackerte nun ein orangenes
Licht. Bisher hatte Mumm »glühende Augen« für eine Redewen-
dung gehalten.
»Wenn du mich bitte entschuldigen würdest – ich muss mit dem
Ideenschmecker sprechen«, sagte Mumm. »Über Politik.«
Dee folgte ihm in eine stille Ecke. »Ja?«
»Hat Dösig die Semmelhöhle jeden Tag zur gleichen Zeit aufge-
sucht?«
»Ich glaube schon. Es hing von seinen anderen Pflichten ab.«
»Also hat er sie nicht immer zur gleichen Zeit aufgesucht. Na schön. Wann findet der Wachwechsel statt?«
»Um drei Uhr.«
»Erreichte Dösig die Höhle vorher oder nachher?«
»Das hing von seinen anderen…«
»Meine Güte. Schreiben die Wächter al es auf?«
Dee starrte Mumm groß an. »Sol das heißen, er könnte die Höh-
le zweimal an einem Tag aufgesucht haben?«
»Ausgezeichnet. Nun, ich meine, das könnte der Fall gewesen
sein. Ein Zwerg kommt allein mit einem Boot und bringt zwei
Kerzen. Würden die Wächter großes Interesse an ihm zeigen? Und
wenn ein anderer Zwerg eine Stunde später käme, nach dem
Wachwechsel… Wäre das ein großes Risiko? Selbst wenn der an-
dere Zwerg auffiele… Er brauchte nur etwas über… was weiß ich,
schlechte Kerzen oder feuchte Dochte oder so zu murmeln.«
Dee blickte in die Ferne. »Es wäre trotzdem ziemlich gefährlich«,
entgegnete er schließlich.
»Aber wenn der Dieb weiß, wann die Wache wechselt und wo
sich der wahre Dösig aufhält… In dem Fal bleibt nur ein geringes
Restrisiko. Und als Lohn winkt die Steinsemmel.«
Dee schauderte und nickte. »Morgen früh werden die Wächter
befragt«, entschied er.
»Von mir.«
»Warum?«
»Weil ich weiß, mit welchen Fragen man Antworten bekommt.
Wir richten hier ein Büro ein. Wir stel en fest, wer wann wo gewe-
sen ist. Und wir reden mit den Wächtern. Auch mit denen am Tor.
Wir stellen fest, wer gekommen und wer gegangen ist.«
»Du vermutest etwas, nicht wahr?«
»Nun, sagen wir, es formen sich gewisse Vorstellungen.«
»Ich… kümmere mich um alles.«
Mumm richtete sich auf und kehrte zu Lady Sybil zurück, die wie
eine Insel in einem Meer aus Zwergen aufragte. Sie sprach mit
einigen von ihnen, die Mumm zuvor auf der Bühne gesehen hatte.
»Wo bist du gewesen, Sam?«, fragte Sybil.
»Politik hat mich aufgehalten«, erwiderte Mumm.
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