Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fünfte Elefant

Der Fünfte Elefant

Titel: Der Fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
trat einige Schritte zu-
    rück und schätzte die Entfernung völlig falsch ein. Jenseits des
    Loches gab es einen Aufpral , der jede einzelne Rippe erschütterte
    und beide Arme fest auf den Boden presste.
    Zwischen Mumms Zähnen zischte ein wenig Ankh-Morpork-
    Humor.
    Nach einer Weile kam er wieder zu Atem, stand auf und holte
    die kleine Armbrust hervor. Er zog den Auslöser und hörte, wie
    sich der Bolzen in den Boden bohrte. Dann warf er die Waffe in
    das Loch – sie fiel recht lange, begleitet von gelegentlichem Klap-
    pern – und setzte den Weg fort, das Gesicht weiterhin der kalten
    Luft zugewandt.

    Dies war kein Tunnel mehr, sondern der Boden eines Schachtes.
    Im grünen Glühen bemerkte Mumm etwas, das sich in der Mitte
    angesammelt hatte.
    Er berührte Schnee, und als er nach oben sah, schmolz eine Flo-
    cke auf seinem Gesicht. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Im
    Licht des Käfers zeichneten sich die Konturen einer Wendeltreppe
    ab, die an den Felswänden nach oben führte.
    Das Wort »Treppe« erwies sich als recht großzügige Beschrei-
    bung. Beim Anlegen des Schachtes hatten die Zwerge Löcher ins
    Gestein geschlagen und dicke Balken hineingetrieben. Versuchs-
    weise belastete Mumm einen oder zwei mit seinem Gewicht – sie
    schienen stabil genug zu sein. Wenn er vorsichtig war, sollte es ihm eigentlich gelingen, nach oben zu klettern…
    Er hatte bereits eine recht große Strecke zurückgelegt, als ein
    Balken brach. Aus einem Reflex heraus streckte er die Hände aus
    und schaffte es, die nächste Strebe zu ergreifen. Das Holz war
    glitschig, bot kaum Halt. Der Käfig mit dem Lichtkäfer fiel in die
    Tiefe. Während Mumm hin und her schwang, sah er, wie das Glü-
    hen immer mehr verblasste. Es schrumpfte zu einem Punkt und
    verschwand dann ganz.
    Unmittelbar darauf begriff er, dass er sich nicht hochziehen
    konnte. Seine Finger waren taub, und der Rest seines Lebens dauerte nur noch so lange, wie sie an dem feuchten Holz nicht den Halt
    verloren.
    Viel eicht eine Minute.
    Vermutlich gab es viele Dinge, die sich in einer Minute erledigen
    ließen, aber die Auswahl wurde sehr viel kleiner, wenn man die
    eigenen Hände nicht benutzen konnte, weil man über einem tiefen
    Abgrund hing.
    Mumm fiel.
    Einen Augenblick später pral te er auf den nächsten Balken, der
    sich daraufhin von der Wand verabschiedete.
    Mensch und Holz fielen. Mit einem die Rippen krümmenden
    Pochen knal te Mumm auf die nächste Stufe, während die anderen
    in ihrer Nähe nachgaben. Er lag auf dem zitternden Balken und
    hörte, wie geborstene Bestandteile der »Treppe« in die dunkle Tie-
    fe fielen.
    »…!« Mumm wollte fluchen, doch der Aufprall hatte ihm die
    Luft aus den Lungen gepresst. Wie eine gefaltete Hose hing er auf
    der Strebe.
    Es war ziemlich lange her, seit er zum letzten Mal geschlafen hat-
    te. Dem Erwachen auf der Steinplatte in der Zelle war kein erhol-
    samer, die Kräfte erneuernder Schlaf vorangegangen, sondern Be-
    wusstlosigkeit aufgrund eines wuchtigen Schlags. Nach gewöhnli-
    chem Schlaf fühlte sich der eigene Mund nicht so an, als hätte je-
    mand Kleister hineingeschüttet.
    Erst am Morgen dieses Tages war der neue Botschafter von
    Ankh-Morpork aufgebrochen, um seine Beglaubigungsschreiben
    zu präsentieren. Erst am Abend dieses Tages hatte Ankh-
    Morporks Polizeichef damit begonnen, einen einfachen kleinen
    Diebstahl aufzuklären. Und jetzt hing er Dutzende von Metern
    über dem Boden eines kalten, dunklen Schachts. Einige Zol di-
    ckes, altes und brüchiges Holz trennte ihn von einer kurzen Reise
    ins Jenseits.
    Er konnte nur hoffen, dass er in den entscheidenden Sekunden
    nicht sein ganzes Leben sah. Es gab darin einige Abschnitte, an die
    er sich lieber nicht erinnern wol te.
    »Ah… Sir Samuel. Wie schade. Und dabei hat alles so gut für
    dich begonnen.«
    Er öffnete die Augen. Mattes, purpurnes Licht von oben fiel auf
    Lady Margolotta. Sie saß in der Leere.
    »Kann ich dich irgendwie aufmuntern?«, fragte sie.
    Mumm schüttelte benommen den Kopf.
    »Wenn du dich dadurch besser fühlst: Ich mache dies wirklich
    nicht gern«, sagte die Vampirin. »Es entsprach so sehr den… Er-
    wartungen. Meine Güte. Der morsche Balken sieht nicht sehr…«
    Holz knirschte, knackte und brach. Mumm landete auf der
    nächsten Strebe, al e viere von sich gestreckt, doch unmittelbar
    darauf brach sie ebenfal s, wie auch die anderen Stufen daneben.
    Die ausgestreckten Hände bekamen einmal mehr einen

Weitere Kostenlose Bücher