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Der Fünfte Elefant

Der Fünfte Elefant

Titel: Der Fünfte Elefant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Balken zu
    fassen, und wieder baumelte Mumm.
    Lady Margolotta schwebte würdevoll herab.
    Unten donnerten die geborstenen Streben.
    »Nun, rein theoretisch könntest du auf diese Weise lebend bis
    zum Grund des Schachtes gelangen«, sagte die Vampirin. »Aller-
    dings fürchte ich, dass die hinuntergefal enen Balken viele andere
    Stufen zerstört haben.«
    Mumm verlagerte sein Gewicht. Seine Finger rutschten nicht ab.
    Vielleicht schaffte er es diesmal, sich in die Höhe zu ziehen…
    »Ich wusste, dass du dahinter steckst«, brummte er und versuchte
    mit reiner Willenskraft, ein wenig Leben in die Schultermuskeln
    zurückzuzwingen.
    »Nein, das stimmt nicht. Aber du wusstest, dass die Steinsemmel
    nicht gestohlen wurde.«
    Mumm starrte zu der seelenruhig schwebenden Gestalt. »Die
    Zwerge würden nicht glauben, dass…« Der Balken ruckte kurz –
    eine Bewegung, die unglücklichen Passagieren mitteilte, dass gleich
    eine Landung bevorstand.
    Lady Margolotta schwebte etwas näher. »Ich weiß, dass du Vam-
    pire verabscheust«, sagte sie. »Das ist durchaus normal für deinen
    Persönlichkeitstyp. Es geht dabei um den… Penetrationsaspekt.
    Aber wenn ich in der gegenwärtigen Situation an deiner Stelle wä-
    re, so würde ich mich fragen: Verabscheue ich Vampire wirklich so
    sehr?«
    Sie streckte die Hand aus.
    »Nur ein Biss, und alle meine Probleme sind gelöst, wie?«, knurr-
    te Mumm.
    »Ein Biss wäre ein Biss zu viel, Sam Mumm.«
    Das Holz knackte. Lady Margolotta griff nach Mumms Handge-
    lenk.
    Wäre er imstande gewesen, darüber nachzudenken, so hätte
    Mumm damit gerechnet, jetzt an einem Vampir zu baumeln. Statt-
    dessen schwebte er.
    »Du solltest jetzt besser nicht loslassen«, sagte Margolotta, als sie sanft durch den Schacht aufstiegen.
    »Ein Biss wäre einer zu viel?«, wiederholte Mumm. Der Spruch klang vertraut. »Du bist… abstinent?«
    »Inzwischen seit fast vier Jahren.«
    »Überhaupt kein Blut?«
    »O doch. Von Tieren. Für sie ist es nicht ganz so schlimm wie
    geschlachtet zu werden, oder was meinst du? Natürlich werden sie
    dadurch ziemlich sanftmütig, aber eine Kuh hat ohnehin kaum
    Aussicht, jemals den Preis für den besten Denker des Jahres zu
    gewinnen. Ich bin nicht mehr nass, Herr Mumm.«
    »Trocken«, brachte Mumm hervor. »Es heißt: Ich bin trocken.
    Und es ersetzt wirklich menschliches Blut?«
    »So wie Limonade Alkohol ersetzt. Glaub mir. Außerdem kann
    ein intelligenter Kopf etwas… anderes finden.« Die Wände des
    Schachtes blieben unter ihnen zurück, und eiskalte Luft umgab sie,
    stach sofort durch Mumms Hemd. Sie schwebten ein wenig zur
    Seite, und dann wurde Mumm in knietiefem Schnee abgesetzt.
    »Eine der besseren Eigenschaften der Zwerge besteht darin, dass
    sie nur selten etwas Neues versuchen und das Alte nie aufgeben«,
    sagte die Vampirin und verharrte über dem Schnee. »Du warst
    nicht schwer zu finden.«
    »Wo bin ich hier?« Mumm sah sich um. Überal ragten Felsen
    und Bäume auf, von Schnee umhüllt.
    »In den Bergen, ein ganzes Stück von der Stadt entfernt, in ent-
    gegengesetzter Richtung, Herr Mumm. Auf Wiedersehen.«
    »Du willst mich einfach so zurücklassen?«
    »Wie bitte? Du hast dich zur Flucht entschlossen. Ich bin überhaupt nicht hier. Ein Vampir, der sich in die Angelegenheiten der
    Zwerge einmischt? Undenkbar! Nun, sagen wir… Es gefällt mir,
    wenn die Chancen gleich verteilt sind.«
    »Es ist kalt ! Und ich habe nicht einmal einen Mantel! Was willst du?«
    »Du bist frei, Herr Mumm. Strebt nicht jeder nach Freiheit? Sol -
    te nicht ein angenehm warmer Schein von ihr ausgehen?«
    Lady Margolotta verschwand im Schnee.
    Mumm zitterte. Erst jetzt begriff er, wie warm es unter Tage ge-
    wesen war. Außerdem musste er sich eingestehen, dass er das
    Zeitgefühl verloren hatte. Schwaches Licht zeigte sich. War es kurz
    nach Sonnenuntergang oder kurz vor dem Morgengrauen?
    Eisiger Wind wehte, und Schneeflocken sammelten sich auf sei-
    ner feuchten Kleidung.
    Freiheit konnte tödlich sein.
    Eine Unterkunft. Das war wichtiger als alles andere. Ein Toter
    konnte mit exakten Informationen über Zeit und Ort nichts an-
    fangen. Tote wussten immer, wo sie sich befanden und dass es zu
    spät war.
    Er entfernte sich vom Schacht und wankte in den Wald, wo der
    Schnee weniger hoch war. Schwaches Licht ging davon aus, noch
    schwächer als das eines kranken Glühkäfers – die fallenden
    Schneeflocken schienen das Licht aus der Luft zu absorbieren.
    Mit

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