Der Fünfte Elefant
Lady Sybil weiß ich, dass sie mit den anderen Wölfen los-
zog, während ich schlief.«
Mumm schilderte die Ereignisse des vergangenen Abends, so gut
er konnte.
»Gavin war ein sehr ehrenwertes Geschöpf«, sagte Karotte
schließlich. »Ich bedauere seinen Tod sehr. Bestimmt wären wir
gute Freunde geworden.«
Du meinst jedes Wort ernst, dachte Mumm. Ich zweifle nicht ei-
ne Sekunde daran. Aber es hat sich al es zu deinem Vorteil entwi-
ckelt. Das ist immer so. Wenn die Dinge anders verlaufen wären,
wenn Wolfgang sofort von Gavin angegriffen und verletzt worden
wäre… Dann hättest du nicht gezögert, ihm zu Hilfe zu kommen.
Und dann wärst du zusammen mit dem Mistkerl in die Tiefe ge-stürzt. Aber es blieb bei dieser Möglichkeit. Wenn du ein Würfel wärst, Karotte, würde man mit dir immer eine Sechs würfeln.
Würfel rollten nicht von al ein. Wenn es nicht al em widerspro-
chen hätte, was Mumm in Bezug auf die Welt für wahr halten
wollte, wäre er vielleicht bereit gewesen, an ein Schicksal zu glau-
ben, das die Leute kontrollierte. Mochten die Götter den Leuten
beistehen, die in der Nähe weilten, wenn sich ein großes Schicksal
auf der Welt auswirkte und bestimmte Personen wie Knetmasse
behandelte…
Laut sagte Mumm: »Der arme alte Gaspode ist ebenfal s in die
Tiefe gestürzt.«
»Wie kam es dazu?«
»Nun, man könnte sagen, dass er zum betreffenden Zeitpunkt
Wolfgangs volle Aufmerksamkeit hatte. Ein echter Straßenkämp-
fer.«
»Armer kleiner Kerl. Er war ein guter Hund, tief in seinem Her-
zen.«
Von jemand anderem hätten diese Worte banal und abgedro-
schen geklungen, aber Karottes Lippen verliehen ihnen neue Be-
deutung.
»Was ist mit Tantony?«, fragte Mumm.
»Er ist heute Morgen aufgebrochen«, meinte Lady Sybil.
»Meine Güte! Wolfgang hat auf seiner Brust Tick-tack-toe ge-
spielt!«
»Igor kann gut mit der Nadel umgehen, Herr.«
Etwas später trat ein nachdenklicher Mumm auf den Kutschen-
hof. Ein Igor verlud bereits das Gepäck.
»Äh, welcher bist du?«, fragte Mumm.
»Ich bin Igor, Herr.«
»Äh. Ja. Und, äh, bist du glücklich hier, Igor? Eins steht fest. In
der Wache könnten wir einen… Mann mit deinen Talenten
gebrauchen.«
Igor blickte vom Dach der Kutsche herunter. »In Ankh-
Morpork, Herr? Meine Güte. Jeder möchte nach Ankh-Morpork.
Dein Angebot ift fehr verlockend, aber ich weif, wo meine Pflicht
liegt. Ich muff diefen Ort für die nächfte Ekfel enf vorbereiten.«
»Oh, natürlich…«
»Aber mein Neffe Igor fucht eine Ftel ung, Herr. In Ankh-
Morpork kommt er beftimmt gut zurecht. Für Überwald ift er viel
zu modern.«
»Ein guter Junge?«
»Er hat daf Herz an der richtigen Ftelle, zumindeft da bin ich ficher.«
»Äh, gut. Nun, gib ihm Bescheid. Wir brechen so bald wie mög-
lich auf.«
»Er wird fehr aufgeregt fein, Herr! Wie ich hörte, liegen in Ankh-
Morpork die Leichen einfach fo auf der Ftrafe, und jeder kann fie
nehmen!«
» So schlimm ist es nun auch wieder nicht, Igor.«
»Nein? Nun, man kann nicht al ef haben. Ich fage ef ihm fofort.«
Igor eilte im Humpelsprint davon.
Ich frage mich, warum sie alle so gehen, dachte Mumm. Viel-
leicht ist bei ihnen ein Bein kürzer als das andere. Entweder das,
oder sie lassen es bei der Auswahl ihrer Stiefel an der notwendigen
Sorgfalt mangeln.
Er nahm auf den Stufen vor dem Haus Platz und holte eine Zi-
garre hervor. Das war’s also. Verdammte Politik. Es lief immer auf
verdammte Politik oder verdammte Diplomatie hinaus. Feine
Kleidung machte den verdammten Unterschied. Wenn man die
Straßen verließ, rannen einem die Kriminel en praktisch durch die
Finger. Der König, Lady Margolotta und Vetinari… Sie betrachte-
ten immer das große Bild. Mumm wusste, dass er ein Mann des kleinen Bildes war und sicher immer bleiben würde. Dee wurde ge-
braucht, deshalb musste sie vermutlich nur einige Tage lang Brot
brechen oder womit auch immer man hier Unartigkeiten bestrafte.
Immerhin hatte sie nur eine Fälschung zerstört.
Nicht wahr?
Aber in Gedanken hatte sie ein viel größeres Verbrechen begangen. In Mumms persönlicher Galerie aus kleinen Bildern sol te das
etwas bedeuten.
Und die Baronin war so schuldig wie die Schuld selbst. Personen
waren gestorben. Was Wolfgang betraf… Nun, manche Leute waren von Natur aus dazu bestimmt, schuldig zu sein. Punktum! Was
auch immer sie anstellten – es wurde ein Verbrechen daraus, ein-
fach deshalb, weil die
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