Der Fünfte Elefant
Mann, der das Leben so hoch
ansah, dass er beim Staubwischen darauf achtete, die Spinnen nicht
zu stören. Und der gleiche Mann hatte einmal einen Apparat er-
funden, der kleine Bleikugeln mit enorm hoher Geschwindigkeit
abfeuerte – er hielt so etwas für nützlich, um gefährliche Tiere
abzuwehren. Er entwickelte etwas, das ganze Berge zerstören
konnte – und sah es für den Einsatz in der Bergbauindustrie vor.
Während der Teepause entwarf dieser Mann direkt neben der exqui-siten Darstel ung eines menschlichen Lächelns eine unvorstel bare
Massenvernichtungswaffe, komplett mit nummerierter Liste der
einzelnen Bestandteile. Und wenn man ihn darauf ansprach, so
erwiderte er: Die Existenz einer solchen Waffe verhindert weitere
Kriege, denn niemand wird es wagen, davon Gebrauch zu machen.
Leonards Miene erhel te sich, als ihm etwas einfiel. »Andererseits:
Je mehr wir voneinander wissen, umso besser können wir uns ver-
stehen. Nun, du hast mich gebeten, einen neuen Code für dich zu
entwickeln. Es tut mir Leid, Euer Exzel enz, aber offenbar habe
ich deine Erfordernisse falsch verstanden. Was war mit dem ersten
Code nicht in Ordnung?«
Vetinari seufzte. »Ich fürchte, er ließ sich nicht entschlüsseln,
Leonard.«
»Aber…«
»Es ist schwer zu erklären«, sagte der Patrizier. Die für ihn klaren Wasser der Politik waren für Leonard nur Schlamm. »Der neue
Code – ist er nur teuflisch schwer zu knacken?«
»Du hast ausdrücklich einen dämonischen verlangt, Herr«, sagte Leonard. Es klang ein wenig besorgt.
»Oh, ja.«
»Offenbar gibt es keinen al gemeinen Standard für Dämonen,
Herr, aber ich habe in den mir zugänglichen okkulten Texten re-
cherchiert und glaube, einen Code entwickelt zu haben, der von
mehr als sechsundneunzig Prozent al er Dämonen als schwierig
eingestuft würde.«
»Gut.«
»Vielleicht grenzt er hier und dort ans Diabolische…«
»Kein Problem. Ich werde ihn ab sofort verwenden.«
Leonard schien noch etwas auf dem Herzen zu haben. »Es wäre
ganz einfach, den Code erzdämonisch schwer zu gestalten…«
»Mir genügt er in der gegenwärtigen Form, Leonard«, sagte Veti-
nari.
»Euer Exzel enz…« Leonard von Quirm jammerte fast. »Ich
kann nicht ausschließen, dass ausreichend schlaue Personen es
schaffen, deine Nachrichten zu lesen!«
»Gut.«
»Aber Euer Exzel enz… Dann wissen fremde Leute, was du
denkst!«
Vetinari klopfte ihm auf die Schulter. »Nein, Leonard. Die frem-
den Leute kennen nur den Inhalt der Nachrichten.«
»Das verstehe ich nicht…«
»Mach dir nichts draus. Ich könnte keine Maschine für explodierenden Kaffee konstruieren. Wie sähe die Welt aus, wenn wir al e
gleich wären?«
Leonards Stirn umwölkte sich. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte
er. »Aber wenn du möchtest, dass ich mich mit diesem Problem
befasse, könnte ich einen Apparat bauen, der…«
»Es war nur eine Redewendung, Leonard.«
Vetinari schüttelte reumütig den Kopf. Nicht zum ersten Mal
gewann er folgenden Eindruck: Leonards Intel ekt war in ein bis-
her unbekanntes mentales Hochland vorgestoßen, doch dort ent-
deckte er große und sehr speziel e Höhlen der Dummheit. Wel-
chen Sinn hatte es, Nachrichten so zu codieren, dass sie von sehr
gewieften Gegnern nicht entschlüsselt werden konnten? Dann
erfuhr man gar nicht, was sie dachten, dass man selbst über sie
dachte…
»Gestern Morgen traf eine recht ungewöhnliche Nachricht aus
Überwald ein, Euer Exzel enz«, sagte Leonard.
»Eine ungewöhnliche Nachricht?«
»Sie war nicht verschlüsselt.«
» Überhaupt nicht? Ich dachte, al e verwenden Codes.«
»Oh, die Namen von Absender und Empfänger sind codiert, a-
ber die eigentliche Nachricht nicht. Es wurden Informationen über
Kommandeur Mumm angefordert, von dem du oft gesprochen
hast.«
Lord Vetinari schwieg.
»Auch die Antwort war nicht codiert. Sie enthielt eine gewisse
Menge an… Klatsch.«
»Informationen über Mumm? Gestern Morgen ? Bevor ich…«
»Euer Exzellenz?«
»Die Nachricht aus Überwald…«, sagte der Patrizier. »Gibt es
überhaupt keinen Hinweis auf den Absender?«
Manchmal, wie ein seltener Sonnenstrahl durch dichte Wolken,
konnte Leonard sehr aufmerksam sein. »Du glaubst, den Absender
zu kennen, Euer Exzel enz?«
»Oh, als junger Mann verbrachte ich etwas Zeit in Überwald«,
sagte der Patrizier. »Damals brachen viele junge Leute aus Ankh-
Morpork auf, um den so genannten ›Pfad des
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