Der Fünfte Elefant
möchte auch über den aktuellen Stand der Ermittlun-
gen im Fall Keinesorge informiert werden. Ich halte nichts von
Rätseln. Mit Hilfe der Türme lassen sich Nachrichten auch bis
nach Überwald schicken, oder?«
Karottes Miene erhel te sich. »Das ist wundervol , nicht wahr? In
einigen Monaten können wir viel eicht in weniger als einem Tag
Mitteilungen von Ankh-Morpork bis nach Gennua schicken!«
»Ja. Ich frage mich, ob wir uns dann irgendetwas Vernünftiges zu
sagen haben.«
Lord Vetinari stand am Fenster und beobachtete den Nachrichten-
turm auf der anderen Seite des Flusses. Alle acht ihm zugewandten
Klappen blinkten hektisch: schwarz, weiß, weiß, schwarz, weiß…
Informationen flogen durch die Luft. Zwanzig Meilen hinter
dem Patrizier blickte jemand auf einem Turm in Sto Lat durch ein
Teleskop und rief Zahlen.
Wie schnel die Zukunft kommt, dachte er.
Poetische Beschreibungen verglichen die Zeit mit einem gleich-
mäßig dahinfließenden Strom, doch mit so einer Vorstel ung hatte
sich Lord Vetinari nie anfreunden können. Nach seiner Erfahrung
bewegte sich die Zeit eher in der Art von Gestein, das langsam hin
und her glitt, wodurch sich tief im Boden immer mehr Druck auf-
staute – bis es schließlich einen Ruck gab, der das Geschirr im
Schrank klappern ließ und ein ganzes Rübenfeld zwei Meter weit
verschob.
Schon seit Jahrhunderten wusste man, dass sich mit Lichtzeichen
Nachrichten übermitteln ließen, was zweifel os Vorteile mit sich
brachte. Außerdem war bekannt, dass sich mit dem Export von
Waren Geld verdienen ließ. Und dann begriff jemand, dass man
sehr viel Geld verdienen konnte, indem man Gennua morgen mit Dingen vertraut machte, die heute in Ankh-Morpork bekannt
wurden. Und in der Straße Schlauer Kunsthandwerker war irgend-
ein intelligenter junger Mann besonders schlau gewesen.
Wissen, Information, Macht, Worte… Unsichtbar flogen sie
durch die Luft…
Und plötzlich vol führte die Welt einen Steptanz auf Treibsand.
In diesem Fal ging der Preis an den besten Tänzer.
Lord Vetinari wandte sich vom Fenster ab, nahm einige Doku-
mente vom Schreibtisch, ging zur Wand, berührte eine bestimmte
Stelle und trat durch die lautlos aufschwingende Tür.
Dahinter erstreckte sich ein Korridor. Licht fiel durch hohe
Fenster bis zu den kleinen Steinplatten herab, aus denen der Bo-
den bestand. Der Patrizier ging mit zielstrebigen Schritten, zögerte dann, sagte: »Nein, heute ist Dienstag«, und setzte den Fuß auf
einen Stein, der sich überhaupt nicht von den anderen unter-
schied.*
Während der Patrizier den Weg durch Gänge und über Treppen
fortsetzte, hätte ein hypothetischer Zuhörer gemurmelte Sätze in
der Art von »Es ist zunehmender Mond…«, und »Ja, es ist vor
Mittag« vernommen. Einem wirklich aufmerksamen Lauscher wäre
auch nicht das leise Surren und Ticken in den Wänden entgangen.
Ein sehr aufmerksamer und außerdem noch paranoider Horcher
hätte vermutlich daran gedacht, dass man keinem der Worte trauen
durfte, die der Patrizier sprach, während er al ein war. Zumindest
sol te man ihnen besser nicht vertrauen, wenn das eigene Leben
auf dem Spiel stand.
Schließlich erreichte Lord Vetinari eine Tür und schloss sie auf.
Dahinter lag ein großes Dachzimmer, erhel t vom Sonnenlicht,
das durch die Fenster in der Decke drang. Es schien eine Mi-
schung aus Werkstatt und Speicher zu sein. Mehrere Vogelskelette
hingen neben den Fenstern, und einige Knochen lagen auf den
Arbeitstischen, zusammen mit Drahtrollen, metal enen Federn,
Farbtuben und mehr Werkzeugen – die meisten von ihnen einzig-
artig –, als man für gewöhnlich an einem Ort sah. Nur ein schma-
les Bett ließ vermuten, dass hier jemand wohnte; es stand zwischen
einer Bronzestatue und einem Ding, das aussah wie ein Webstuhl
mit Flügeln. Die Umgebung deutete darauf hin, dass sich hier je-
mand für alles interessierte.
Lord Vetinaris Interesse galt derzeit einem Apparat, der mitten
* Al erdings trat man am Dienstag besser nicht auf die anderen Steine.
im Zimmer ganz al ein auf einem Tisch stand. Er wirkte wie eine
Ansammlung aus Kupferkugeln, die aufeinander balancierten.
Dampf zischte leise aus einigen Nieten, und gelegentlich machte
die Vorrichtung Blup…
»Euer Exzellenz!«
Vetinari sah sich um. Eine Hand winkte hinter einer umgedreh-
ten Werkbank.
Etwas veranlasste ihn, nach oben zu blicken. An der Decke sah
er eine braune Substanz, die
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