Der Fünfte Elefant
Grund.«
»Und weshalb wol te ihn jemand töten?« Reg Schuh konnte sehr
geduldig sein. »Hat es irgendwelchen Ärger gegeben?«
»Ich wissen, die Geschäfte laufen nicht mehr so gut.«
»Ach? Ich dachte, ihr würdet hier regelrecht Geld scheffeln.«
»Oh, ja, das man glauben könnte, aber nicht al e Dinge, die man nennt Keinesorge, stammen von uns. Es gibt inzwischen viel…«
Der Troll verzog das Gesicht, als er sich zu konzentrieren versuch-
te. »… Konn-kurr-renz. Viele andere Leute gesprungen sind auf
den Gummikarren und sie bessere Fabriken haben und neue Ideen
wie zum Beispiel besondere Keinesorge mit Käse-und-Zwiebel-
Geschmack und mit Glöckchen dran und so. Von solchen Dingen
Herr Keinesorge nie nichts wissen wol te, und dadurch sinken
Verkaufszahlen unsere.«
»Das hat ihm bestimmt Sorgen bereitet«, sagte Reg im Sprich-
nur-weiter-Tonfall.
»Er sich oft eingeschlossen hat in seinem Büro.«
»Ach? Und warum?«, fragte Reg.
»Er der Boss. Man nicht fragt den Boss. Aber einmal er meinen,
bald käme besonderer Auftrag, der uns brächte wieder auf die Bei-
ne.«
»Wirklich?« Reg machte sich eine geistige Notiz. »Was für ein
Auftrag?«
»Keine Ahnung. Man nicht…«
»… fragt den Boss«, zitierte Reg Schuh. »Na schön. Vermutlich
hat niemand den Mörder gesehen, oder?«
Falten der Anstrengung bildeten sich auf der Stirn des Trolls, als
er nachdachte.
»Den Mörder, ja, und vielleicht auch Herrn Keinesorge.«
»Gab es eine dritte Partei?«
»Weiß nicht. Ich kein Interesse haben an Politik.«
»Abgesehen von Herrn Keinesorge und dem Mörder«, fragte
Schuh und blieb so geduldig wie ein Grab. »War gestern Abend
noch jemand hier?«
»Weiß nicht«, antwortete der Troll.
»Danke, du warst uns eine große Hilfe«, sagte Schuh. »Wir sehen
uns noch ein wenig um, wenn du nichts dagegen hast.«
»Meinetwegen.«
Der Trol kehrte zu seinem Bottich zurück.
Reg Schuh hatte nicht damit gerechnet, etwas zu entdecken, des-
halb blieb ihm eine Enttäuschung erspart. Aber er war gründlich,
was zu den typischen Eigenschaften eines Zombies gehörte. Herr
Mumm hatte ihn mehrmals davor gewarnt, sich von Spuren in zu
große Aufregung versetzen zu lassen. Spuren, so meinte er, konn-
ten einen auf die falsche Fährte locken, wenn sie zu einer Ange-
wohnheit wurden. Man fand am Tatort eines Verbrechens ein
Holzbein, einen seidenen Pantoffel und eine Feder – um daraus
eine interessante Geschichte zu spinnen über einen einbeinigen
Tänzer und ein Theaterstück, bei dem auch Hühner auf der Bühne
erschienen.
Die Tür des Büros stand offen. Es ließ sich kaum feststellen, ob
irgendetwas angerührt worden war. Alles war ziemlich durchein-
ander, doch das schien hier immer der Fal zu sein. Unterlagen
stapelten sich auf einem Schreibtisch – Herr Keinesorges Ablage-
system funktionierte offenbar auf der Grundlage von »Leg’s ein-
fach irgendwohin«. Auf einer Bank lagen Gummimuster, Sacklei-
nen, große Flaschen mit Chemikalien und Holzformen, denen Reg
keine zu große Aufmerksamkeit zu schenken versuchte.
»Hast du gehört, dass Korporal Kleinpo über den Einbruch ins
Zwergenbrotmuseum sprach, als wir heute Morgen den Dienst
angetreten haben, Knuddel?«, fragte Schuh. Er öffnete ein Glas
mit gelbem Pulver und schnupperte daran.
»Nein.«
»Ich schon«, sagte Reg.
Er schraubte den Deckel auf das Glas mit Schwefel und schnup-
perte erneut. In der Fabrik roch es nach flüssigem Gummi – ein
Geruch, der mit dem inkontinenter Katzen große Ähnlichkeit hat.
»Und manche Dinge bleiben einem im Gedächtnis haften«, fügte
er hinzu. »So ist das eben in unserem Job…«
In dieser Woche nahm Obergefreiter Besuch-die-Ungläubigen-mit-
erläuternden-Broschüren die Pflichten des Kommunikationsoffi-
ziers wahr, was im Großen und Ganzen bedeutete, dass er sich um
die Tauben kümmerte und den Nachrichtenturm im Auge behielt,
natürlich mit Hilfe des Obergefreiten Abfluss. Obergefreiter Ab-
fluss war ein Wasserspeier. Wenn es darum ging, den Blick auf eine
Stelle gerichtet zu halten, leistete Wasserspeier hervorragende Ar-
beit. In der neuen Industrie der Nachrichtenübermittlung waren
ihre Dienste sehr gefragt.
Obergefreiter Besuch fand Gefal en an den Tauben. Er sang ih-
nen Kirchenlieder vor. Sie hörten sich kurze Predigten an und
neigten dabei die Köpfe von einer Seite zur anderen. Hatte nicht
Bischof Horn zu den Mollusken des Meeres gesprochen?
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