Der fünfte Mörder
immer.«
»Hat er vor der Explosion etwas Ungewöhnliches beobachtet? Jedes Detail kann wichtig sein.«
Dieses Mal dauerte der Wortwechsel länger.
»Roman sagt, eigentlich nicht. Allerdings hat er ja die meiste Zeit auf das Bella Napoli gestarrt. Nikolina war zu diesem Zeitpunkt schon drin.«
»Was hat er gemacht, nachdem der Cayenne explodiert war?«
Wieder musste ich einige Sekunden auf die Antwort warten, während die beiden in ihrer unverständlichen Sprache diskutierten. Roman Siderov taute nun sichtlich auf.
»Weggelaufen ist er. Wollte keinen Ãrger mit der Polizei haben. Ihm ist nicht ganz klar, ob er sich illegal in Deutschland aufhält oder nicht.«
»Sagen Sie ihm, als EU -Bürger braucht er kein Visum und keine Aufenthaltserlaubnis, und einen gültigen Pass hat er ja. Er soll sich bitte vorläufig zu meiner Verfügung halten. Eventuell brauche ich ihn noch mal, um Personen zu identifizieren. Wo kann er solange wohnen?«
»Na, bei mir!«, erklärte die Dolmetscherin strahlend. »In meiner WG stehen gerade zwei Zimmer leer. Und ich finde ihn ja sooo süÃ!« Den letzten Satz hatte sie mit gesenkter Stimme und einem schnellen Seitenblick ausgesprochen.
Roman Siderov schenkte mir das freundlich-dämliche Lächeln eines Menschen, der nichts begreift. Durch die Ãbersetzerin lieà er anfragen, ob es eventuell noch Kaffee gebe. AuÃerdem hatte er schon wieder Hunger.
»Was, wenn der Täter in einem Auto saà und unmittelbar nach der Explosion weggefahren ist?«, fragte Vangelis, als sie gegen Abend noch einmal bei mir vorbeischaute, um die letzten Dinge des Tages zu besprechen.
»Er könnte genauso gut gemütlich vorbeispaziert sein, den Sender in der Tasche â¦Â« Mir kam eine Idee, die mir schon längst hätte kommen sollen. »Die Ãberwachungskameras der Bank haben ja in die falsche Richtung geguckt, sagten Sie. Vielleicht gibt es dort noch andere Kameras? Vielleicht ist ein Juweliergeschäft in der Nähe oder so etwas?«
Vangelis hob erschrocken den Kopf. »Daran hat bisher kein Mensch gedacht«, gestand sie.
Zwanzig Minuten später erfuhr ich per Telefon, dass wir ausnahmsweise einmal Glück hatten.
»Bei der Apotheke, vor der der Cayenne gestanden hat, gibt es gleich zwei AuÃenkameras, die den Gehweg und einen Teil der StraÃe überblicken. Der Inhaber hat sie montieren lassen, nachdem ihm im Januar zum dritten Mal irgendwelche Junkies die Scheiben eingeschlagen haben.«
»Wie kommen wir an die Videos?«
»Streife ist schon unterwegs. Der Herr Apotheker hat sehr geschwärmt von seiner Ãberwachungsanlage. Angeblich das Beste, was der Markt heute zu bieten hat. Er brennt geradezu darauf, uns zu helfen. Ãbrigens ist er ziemlich sauer, weil sein schöner BMW bei dem Anschlag gelitten hat.«
Als ich eine Viertelstunde später das Büro betrat, das Vangelis sich mit Balke teilte, hantierte sie an einem Gerät herum, das für mich wie ein DVD -Spieler aussah.
»Er wusste nicht, wie er die Daten aus dem Gerät herausbekommt«, erklärte sie, ohne aufzusehen. »Deshalb hat er den Jungs einfach die ganze Kiste mitgegeben. Dummerweise hat er aber die Gebrauchsanweisung vergessen.«
Ich sah ihr über die Schulter, während sie das Gerät mit einem Fernseher älteren Modells verband und nach und nach verschiedene Knöpfe ausprobierte. Es dauerte nicht lange, dann erschien ein Bild, und Augenblicke später wusste sie schon, wie man vor- und zurückspulte.
Der Apotheker hatte recht, was die Qualität seiner Videoanlage betraf â die Aufzeichnungen waren gestochen scharf und sogar in Farbe. Am unteren Rand des Bildes raste die Uhrzeit rückwärts, bis zum neunundzwanzigsten April, elf Uhr dreiÃig. Zehn Minuten vor der Explosion stoppte Vangelis den Rücklauf.
»Eine Sekunde im Video sind zehn in Wirklichkeit«, sagte sie halblaut und drückte den Startknopf.
Gemeinsam beobachteten wir vorbeiflitzende Passanten, einen riesigen Hund, der in rekordverdächtiger Zeit an eine Laterne pinkelte, Kunden, die im Zeitraffer die Apotheke betraten und schon Sekunden später wieder verlieÃen, einen jungen, unrasierten Mann, der eine groÃe graue Katze auf dem Arm trug und im Schweinsgalopp vorbeisauste. Ein besonders scharfes Auge hatten wir auf vorbeifahrende oder am StraÃenrand parkende Autos. Aber nichts
Weitere Kostenlose Bücher