Der fünfte Mörder
leider meiner Kenntnis.«
Balke kam zurück, immer zwei Stufen auf einmal nehmend. Er hatte eine Taschenlampe aus dem Wagen geholt. Zu dritt durchquerten wir den im Halbdunkel liegenden Tresorraum. Balke bückte sich und leuchtete in das Loch an der Wand.
»Ein Tunnel«, erklärte er überflüssigerweise. »Wenn mich mein Orientierungssinn nicht völlig im Stich lässt, geht er zur BergstraÃe hinüber.«
Das Ende des Tunnels verlor sich in der Dunkelheit. Die Decke war fachmännisch mit Balken und massiven Brettern abgestützt. Auf den letzten Metern vor der Wand war die Abstützung besonders kräftig ausgeführt. Vermutlich, damit der Tunnel bei der Sprengung nicht einstürzte. Rechts waren Sandsäcke gestapelt, viele Sandsäcke, mit denen die Täter den Sprengsatz abgedeckt hatten, um seine Wirkung zu erhöhen.
»Die haben genau gewusst, was sie taten.« Vangelis dachte dasselbe wie ich. »Die Bombe war nicht zu schwach, aber auch nicht zu stark. Sonst würde es hier drin ganz anders aussehen. So was muss man können.«
»Sie müssen wochenlang gebuddelt haben.« Balke knipste die Lampe aus und richtete sich auf. »Sie müssen tonnenweise Holz herangekarrt haben. Sie müssen Unmengen Erde weggeschafft haben.«
Nach einem Blick in den Stadtplan vermuteten wir den Eingang des Tunnels im Keller eines jenseits der Hinterhöfe liegenden Hauses. In der BergstraÃe stand zurzeit ein Mietshaus aus der Gründerzeit leer, das demnächst saniert werden sollte, wusste Herr Falk zu berichten.
»Das werden ausgesprochen hochwertige Eigentumswohnungen«, erklärte er stolz. »Erstklassige Ausstattung. Ich habe selbst die Finanzierung gemacht.«
Fünf Minuten später hatte ich, begleitet von Balke, den Block umrundet. Vangelis war in der Bank zurückgeblieben, um die Spurensicherung einzuweisen. Ich bezweifelte, dass sie irgendwelche verwertbaren Spuren finden würden. Die Leute, die das hier angerichtet hatten, waren Profis. Die hinterlieÃen weder Fingerabdrücke noch DNA -Spuren.
An der Fassade des ziemlich heruntergewirtschafteten Hauses in der BergstraÃe prahlte schon das Werbebanner eines Maklers mit stilvollen und groÃzügigen Etagenwohnungen, die hier demnächst für viel Geld zu kaufen sein würden. Noch war mit den Arbeiten jedoch nicht begonnen worden. Die hässliche Tür aus Aluminium und Glas stammte aus den Sechzigerjahren und war verschlossen.
Durch ein doppelflügliges Tor aus grün gestrichenem Holz betraten wir eine etwa zwei Meter breite Durchfahrt, die zum Hof auf der Rückseite führte. Dort mussten wir eine tückisch steile und schlüpfrige Steintreppe hinabsteigen und eine altersschwache, erbärmlich quietschende Tür aufdrücken, die so verzogen war, dass sie sich vermutlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr schlieÃen lieÃ. Der im Schloss steckende Schlüssel lieà sich nicht drehen.
Obwohl ich wenig Hoffnung hatte, hier Fingerabdrücke oder sonst etwas Hilfreiches zu finden, trugen wir Latexhandschuhe. Hinter der Kellertür durchquerten wir das feuchte Halbdunkel eines sehr schmutzigen Raums, der früher vermutlich die Waschküche gewesen war. Es roch nach Schimmel und feuchter Erde. Das einzige Fenster war sorgfältig mit grauer Pappe zugeklebt, sodass kein Licht nach auÃen dringen konnte. Der Boden war mit Sand bedeckt und übersät von Abdrücken grober Sohlen. Auch hier funktionierte das Licht nicht. Vermutlich war das ganze Haus ohne Strom.
Den Tunneleingang fanden wir in einem fensterlosen Nachbarraum, der bis auf ein hellblaues Damenrad mit platten Reifen leer war. Wieder leuchtete Balke mit seiner starken Stablampe in den Tunnel. Vom anderen Ende her hörten wir Stimmen, konnten jedoch nichts verstehen.
»Wer dieses Ding ausgeknobelt hat«, murmelte mein Mitarbeiter, »muss verdammt viel Ahnung haben. Das muss Monate gedauert haben, alles zu planen und durchzuführen. Und man braucht ein gut eingespieltes Team dazu.«
Gemeinsam gingen wir in die Waschküche zurück.
»Reifenspuren.« Balke wies auf den Boden. »Vielleicht von einer Schubkarre?«
Wir folgten den Spuren in die Tiefen des Kellers und fanden dort Berge von Erde.
»Das war das«, konstatierte Balke. »Aber wie haben sie das Holz hergeschafft? Die müssen zig Mal mit einem Lastwagen vorgefahren sein und tonnenweise Balken
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