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Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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seit frühester Kindheit Sönnchen genannt, stammte aus Heidelberg und schien mit der einen Hälfte der Bewohnerschaft bekannt und mit dem Rest um einige Ecken verwandt zu sein.
    Â»Sie gucken ein bisschen bedröppelt, Frau Walldorf«, fiel mir auf. »Fehlt Ihnen was?«
    Sie zog eine klägliche Grimasse. »Der Backenzahn. Der, der mir letztes Jahr schon dauernd Ärger gemacht hat.«
    Â»Vielleicht sollten Sie es doch mal mit dem Zahnarzt versuchen?«
    Â»Sollt ich wohl, ja. Nächste Woche. Vielleicht.«
    Ãœbergangslos wollte sie hören, wie es meinen Mädchen ging, erzählte von ihren eigenen ersten Kochversuchen, die um ein Haar in einem Großbrand geendet hatten. Nachdem das Private erledigt war, wollte sie haarklein wissen, was denn dran sei an den komischen Radiomeldungen von wegen Mafia in Heidelberg und so.
    Als der Cappuccino getrunken und ich wieder allein war, begann ich meine Stellungnahme zu formulieren. Ich überlegte, welche Fakten ich der Journaille vorwerfen sollte und was ich besser für mich behielt.
    Mein erster Entwurf gefiel mir schon ganz gut. Als ich mich mit einem Schluck Kaffee belohnen wollte, bemerkte ich, dass die Tasse längst leer war.
    Da klingelte mein Telefon.
    Â»Chef«, hörte ich Sven Balke sagen, und schon nach diesem einen Wort war mir klar, dass sich die nächste Katastrophe anbahnte. »Sie erraten nie im Leben, was passiert ist.«

    Zwanzig Minuten später stand ich im Keller der Bankfiliale, in deren Nähe am Samstag der Cayenne explodiert war. Bei mir waren Klara Vangelis, Sven Balke, der blasse Filialleiter, der sich hustend mit »Falk, Thorsten Falk« vorgestellt hatte, und seine mit den Tränen kämpfende ältliche Vertreterin mit dem bemerkenswerten Namen Marilyn Brettschneider-Backhaus. Alle zusammen starrten wir durch eine tonnenschwere und einen knappen halben Meter dicke, jetzt offen stehende Stahltür in den Tresorraum.
    Â»Aber das geht doch nicht!«, murmelte Frau Brettschneider-Backhaus immer wieder fassungslos. »Doch nicht hier! Doch nicht bei uns!«
    Jemand hatte den Tresor übers lange Wochenende ausgeplündert, hatten die beiden festgestellt, als sie um Viertel vor neun gemeinsam die Tür öffneten. In der gegenüberliegenden Betonwand gähnte ein Loch, so groß, dass ein erwachsener Mann bequem durchsteigen konnte. Das Licht im Tresorraum funktionierte nicht. Das Loch war offensichtlich durch eine Sprengung entstanden, und die Neonröhren an der Decke hatten vielleicht die Druckwelle nicht überlebt oder waren von herumfliegenden Brocken zerstört worden. Schwere Betonstücke waren quer durch den etwa fünf mal sieben Meter messenden Raum geflogen, die Armierungseisen waren in alle Richtungen verbogen.
    Â»Clever«, meinte Balke durch die Zähne. »Echt verdammt clever!«
    Dafür, dass niemand die Sprengung bemerkt hatte, gab es nur eine Erklärung: Exakt gleichzeitig mit der Bombe, die Slavko Dobrevs Cayenne zerstörte, war hier, unter der Erde, eine zweite, viel stärkere explodiert. Vermutlich waren die beiden Sprengsätze mit demselben Sender ausgelöst worden. Wegen des Tumults auf der Straße hatte niemand das Gejaule der Alarmanlage ernst genommen. Jeder hatte natürlich angenommen, der Alarm der Bank sei durch die Explosion des Cayenne ausgelöst worden.
    Anschließend hatten die Täter zweieinhalb Tage Zeit gehabt, in aller Ruhe und Gründlichkeit den Tresor zu leeren. Offenkundig hatten sie sich vorwiegend für die Kundenschließfächer interessiert. Knapp die Hälfte der Türen hatten sie aufgeschweißt. Aber auch, was in den Regalen an Bargeld lag, hatten sie nicht verschmäht. Lediglich das Hartgeld war noch da. Siebenhundertzwölf Euro und dreiundvierzig Cent in Münzen, hatte ein verstörter Bankangestellter in metallicgrauem Anzug inzwischen gezählt.
    Balke lief plötzlich davon und die Treppe hinauf.
    Â»Weiß man schon, wie viel ungefähr fehlt?«, fragte ich den Filialleiter, der sich unentwegt nicht vorhandenen Schweiß von der Stirn wischte.
    Â»An Bargeld dürften siebzig- bis achtzigtausend drin gewesen sein.« Er wechselte einen Blick mit seiner mageren Stellvertreterin. Die nickte ergeben und tupfte sich die Augenwinkel. »Welche Werte unsere Kunden in ihren Schließfächern aufbewahren …« Ratlos hob er die Hände. »Das entzieht sich

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