Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der fünfte Mörder

Titel: Der fünfte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
Schrecken. Zweimal Zucker, bitte. Dazu Orangensaft, frisch gepresst, falls es nicht zu viel Mühe macht. Rührei mit Speck wäre nett, muss aber nicht sein. Und zwei, drei Semmeln mit Salami, Schinken, Wurst. Falls es keine Salami gibt, zweimal Schinken. Kuchen oder Marmelade ist nicht so meins.«

13
    Â»Sie kommen aus Bayern?«, fragte ich den klapprigen Obdachlosen, nachdem Balke sich mit der Bestellung auf den Weg gemacht hatte.
    Â»Wie kommen Sie darauf?«
    Â»Wegen der Semmeln.«
    Inzwischen war er so weit aufgetaut, dass er sogar ein meckerndes Lachen zustande brachte. »Aber nein. Ich komme aus Köln. Ehrenfeld. Vor Ewigkeiten hatte ich dort einen Blumenladen, Frau, Kinder, Haus und so. Aber dann ist Verschiedenes vorgefallen, und seither bin ich heimatlos.«
    Â»Was schreiben Sie da?« Ich deutete auf den Papierstapel neben seiner Schlafstelle.
    Â»Meine Lebensgeschichte.« Vor Stolz wurde er ein wenig größer. »Aber es ist schwierig. Ich habe schon dreimal wieder von vorne angefangen, und es kommt komischerweise jedes Mal eine andere Geschichte heraus.«
    Während er immer redseliger wurde und mich mit Anekdoten aus seinem bewegten Leben überschüttete, schlüpfte er in ein fleckiges Flanellhemd. Er zog die Hosenträger über die Schultern, stieg mit verblüffend sauberen Füßen ohne Socken in unvorstellbar schmutzige, aber ordentlich neben der Matratze stehende Stiefel. In Moskau wollte er gewesen sein und in Afrika und auf Kuba.
    Â»Einmal, Sie haben ganz recht, war ich für ein paar Monate in Oberbayern. Aber diese schrecklichen Berge, die machen mir Kopfschmerzen. Ständig hat man das Gefühl, gleich fällt einem was auf den Kopf.«
    Zusammen verließen wir den Raum, um an die frische Luft zu gehen. Im Vorbeigehen schaltete er das Radio aus. »Energiesparmaßnahme. Batterien sind teuer.«

    Eine Viertelstunde später saß ich im Hinterhof unter einem duftenden Holunderbusch und sah Jens-Ludwig Bergholt beim gemütlichen Frühstück zu. Die Stelle, wo wir saßen, lag im Schatten, war jedoch gesprenkelt vom Licht der heute nicht ganz so klaren Maisonne. Sogar einen ehedem weiß lackierten kleinen Tisch und zwei noch recht gut erhaltene Balkonstühle aus dunkelblauem Plastik hatte ich auf einem Haufen Gerümpel gefunden. Balke verzichtete auf unsere Gesellschaft und zog es vor, das Haus zu durchstöbern, auf der Suche nach was auch immer.
    Mein möglicherweise einziger Zeuge genoss das unerwartete Glück eines Frühstücks auf Staatskosten schamlos. Sein Erinnerungsvermögen wurde mit jedem Bissen besser. Wenn er nicht gerade mit Kauen, Schlürfen oder Schlucken beschäftigt war, beantwortete er meine Fragen.
    Â»Eben ist es mir wieder eingefallen: Mal sind Handwerker hier gewesen. Im Keller.«
    Â»Haben Sie die gesehen?«
    Die Antwort dauerte ein Weilchen, weil Bergholt erst ein halbes Salamibrötchen vertilgen musste.
    Â»Da bin ich logischerweise immer mäuschenstill gewesen. Dieses Haus ist ein Traum für Gescheiterte wie mich. Fenster dicht, Dach dicht, keine Konkurrenz, die einem die Räumlichkeiten streitig macht. Man schläft wunderbar, man wird nicht beklaut. Wer so etwas gefunden hat, in meinen Kreisen, der geht kein Risiko ein.«
    Balke trat aus der rückwärtigen Tür des Hauses und schüttelte den Kopf. Die schwächliche Tür zum Treppenhaus war ursprünglich verschlossen gewesen, aber jemand hatte sie offenbar schon vor Längerem aufgebrochen. Meine Frage, ob er der Einbrecher war, versetzte Bergholt in Empörung. Die Tür habe selbstverständlich schon einen Spalt offen gestanden, als er zum ersten Mal versuchsweise dagegendrückte.
    Von seinem mit weißen Bartstoppeln übersäten Kinn tropfte ein wenig frisch gepresster Orangensaft. Mit unüberhörbarem Genuss machte er sich an das Schinkenbrötchen.
    Das Haus war für die Täter ideal. Der Abstand zur Bank jenseits der üppig begrünten Höfe und Gärten betrug kaum mehr als dreißig Meter, es war – abgesehen von dem momentan hingebungsvoll schmatzenden und grunzenden Obdachlosen – unbewohnt. Der betonierte Hof, wo wir saßen, war von der Straße her nicht einsehbar, aber dennoch auch mit einem größeren Fahrzeug erreichbar. Hof und Kellertreppe waren durch Büsche und Bäume gegen neugierige Blicke aus der Nachbarschaft abgeschirmt.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher