Der fünfte Mörder
Papiere«, fügte ich hinzu. »Verträge. Versicherungspolicen. Kunstwerke, die zu kostbar sind, um sie zu Hause an die Wand zu hängen.«
»Die ersten Gespräche mit den geschädigten Kunden übernimmt die Bank«, sagte Vangelis. »Die dürfen uns nicht mal die Namen verraten, solange wir keinen Verdacht auf Mittäterschaft â¦Â«
Die Tür knallte auf. Rolf Runkel streckte seinen im Augenblick hochroten Kopf herein. »Der Pritschenwagen!«, brüllte er, als würde es im Erdgeschoss brennen. »Wir haben den Pritschenwagen gefunden!«
»Immerhin«, sagte Balke, »ist doch mal ein Anfang.«
Runkel trat ein und berichtete, nun ein wenig ruhiger, der blaue Kleinlastwagen stehe in einem Waldstück etwa fünf Kilometer nordöstlich von Neckarsteinach. Völlig ausgebrannt, leider, und komplett leer, natürlich. Ein Förster hatte das Wrack erst vor einer halben Stunde entdeckt. Es war noch warm, die Spurensicherung bereits auf dem Weg. Viel würde sie nicht finden, davon war ich überzeugt. Die Täter hatten jeden ihrer Schritte monatelang geplant und durchdacht. Mit etwas Glück würde es meinen Technikern vielleicht gelingen, das Fahrzeug zu identifizieren und damit seinen letzten Halter.
Auf dem Weg zurück in mein Büro traf ich auf einen jungen Mann in zerknittertem dunkelblauem Anzug und zu groÃen Schuhen. Er wolle zu Liebekinds Sekretärin, erklärte er mit nervösem Blick, und habe sich dummerweise verlaufen. Ich bot ihm an, ihn zu begleiten, da mein Ziel nur wenige Türen von seinem entfernt lag. Während der kurzen Strecke, die wir gemeinsam gingen, erzählte er mir, er gehöre zu den freiberuflichen Ãbersetzern, die Vangelis für die Telefonüberwachung der Russin engagiert hatte.
»Schade eigentlich«, meinte er, als er mir zum Abschied seine feuchte Hand reichte. »Die ganze Zeit langweilt man sich fast einen Wolf. Und â¦Â«
Sönnchen hatte offenbar meine Stimme gehört. Sie riss die Tür auf. »Telefon, Herr Gerlach. Die Staatsanwaltschaft. Entschuldigung, aber es ist dringend.«
Es war dann doch nicht so dringend. Am Apparat war eine junge Mitarbeiterin von Frau Doktor SteinbeiÃer, die mir mitteilen wollte, was ich schon wusste.
»Die Telefonüberwachung haben wir weisungsgemäà eingestellt«, beruhigte ich sie. »Darf man erfahren, wie es zu dem plötzlichen Sinneswandel unserer vorgesetzten Behörde kommt?«
»Weisung von oben«, erklärte sie mit schnippischem Ton. »Mehr weià ich auch nicht.«
In den nächsten Stunden versuchte ich das zu erledigen, was vorrangig zu meinen Aufgaben als Chef einer Behörde zählte: Verwaltungskram. Absegnen von Urlaubsanträgen, Bearbeiten von Beschwerden und Klagen, mehr oder weniger elegant formulierten Beförderungsgesuchen, Schlichten von Streitigkeiten, wie sie überall vorkommen, wo Menschen zusammenarbeiten. Sönnchen, meine treue Sekretärin, unterstützte mich nach Kräften. Meinen Peugeot hatte sie inzwischen aufgestöbert, auf dem Parkplatz eines Abschleppdienstes an der Eppelheimer StraÃe. Sie hatte ihn jedoch bereits aus den Krallen der Ordnungsbehörde befreit. Zurzeit war er auf dem Weg zu einer Vertragswerkstatt in Schlierbach. Auf meine misstrauische Frage, wie genau der Transport denn vonstatten ging, verweigerte sie standhaft die Aussage.
Später schrieb ich Theresa eine SMS . Ich entschuldigte mich dafür, dass ich mich jetzt erst meldete, berichtete von dem Bankraub, der Pressekonferenz und meinem kaputten Auto.
Ich hatte das Handy kaum auf den Schreibtisch zurückgelegt, als es auch schon summte. Ihre Nachricht war kurz und nicht gerade herzlich: »Sehen wir uns heute?«
Heute war Dienstag, fiel mir jetzt erst ein, einer der beiden Tage der Woche, an denen wir uns trafen. Wenn nichts dazwischenkam.
»Weià noch nicht«, schrieb ich zurück, und das war die Wahrheit.
Natürlich hatte sie recht: Das Einzige, was jetzt half, war reden. Auge in Auge. Arm in Arm. Sich sehen, fühlen, riechen. Theresa war immer schon der Ansicht gewesen, in gewissen Dingen seien unsere Körper klüger als unsere Köpfe. Aber ich konnte sie jetzt nicht sehen. Ich wusste selbst nicht, weshalb. Und mir fehlten die Zeit und die Ruhe, mir über meine Gefühle klar zu werden.
15
Im Lauf des Nachmittags tröpfelten nach und nach
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