Der fünfte Mörder
Plakette!«
»Aber einen Katalysator!«
»Okay«, erwiderte er stöhnend. »Die gelbe würde er wahrscheinlich sogar kriegen. Aber das hat doch alles keinen Sinn. Er hat kein ABS , er hat kein ESP , er hat ja nicht mal Airbags! Von einem Navi gar nicht zu reden.«
»Ich pflege keine Unfälle zu bauen.« Nun wurde auch ich patzig. »Deshalb kann ich auf Airbags und solche Sachen verzichten. Und bisher habe ich mein Ziel immer ohne Navi gefunden.«
Das Letzte war ein ganz klein wenig geschwindelt. Aber das ging diesen kaltherzigen Ãlfinger nichts an.
Der Rest des Dienstags verlief unspektakulär. Meine Leute verhörten Nachbarn des Abbruchhauses, die Spurensicherung sicherte Spuren. Thorsten Falk, der Leiter der ausgeraubten Bankfiliale, kam seiner traurigen Pflicht nach und setzte seine Kunden davon in Kenntnis, dass sie übers Wochenende ein wenig ärmer geworden waren. Und manch einer dürfte sich an diesem Tag weit mehr davor gefürchtet haben, wir könnten die Täter fassen und ans Licht bringen, was er in seinem SchlieÃfach aufbewahrt hatte, als davor, dass sein Besitz für immer verloren sein könnte.
Ich arbeitete Papiere ab, die Sönnchen mir vorlegte, und unterschrieb, wo sie ihre bunten Markierungskleberchen angebracht hatte. Aber meine Gedanken waren drauÃen, in diesem so auffallend professionell gebauten Tunnel, im ausgebrannten Bella Napoli, bei der Russin mit ihren vorzüglichen Verbindungen in höchste politische Kreise.
Als ich um halb sieben Feierabend machte, war mein Schreibtisch fast so aufgeräumt wie der von Frau Doktor SteinbeiÃer, doch ermittlungstechnisch gesehen waren wir keinen Schritt vorangekommen.
Um acht würde ich Theresa treffen. Wir hatten noch ein paar Nachrichten per Handy ausgetauscht, und schlieÃlich war ich nach einigen Anläufen über meinen Schatten gesprungen.
Sie liebt Sie sehr, hatte Liebekind gesagt, und es war ein seltsames Gefühl gewesen, diese Worte ausgerechnet von dem Mann zu hören, dem ich seit anderthalb Jahren zweimal die Woche Hörner aufsetzte. Liebekind schien mit der Situation im Gegensatz zu mir prima zurechtzukommen. Auch am Vormittag hatte er wieder mit keiner Wimper gezuckt, als er mir â vielleicht eine Spur fester als sonst â die Hand drückte. Er war gewesen wie immer. Aber wie ging es Theresa damit? Ich wusste es nicht. Ich wusste ja nicht einmal, wie es mir selbst damit ging.
Mit dem Wagen war ich am Morgen zur Direktion gefahren, zu Fuà kehrte ich nach Hause zurück. Die Luft war warm und weich. An jeder Ecke duftete es nach Frühling. Ich fühlte mich elend.
Die Post steckte noch im Briefkasten. Während ich die Treppe hinaufstieg, blätterte ich sie durch. Werbung, Werbung, ein Brief von der Krankenversicherung, der vermutlich wieder einmal eine Beitragserhöhung verkündete, Werbung. SchlieÃlich ein mit der Hand beschrifteter dünner Umschlag. Ich riss ihn noch im Treppenhaus mit Hilfe des Wohnungsschlüssels auf. Auch der Brief selbst war mit der Hand geschrieben.
Er begann mit: »Mein lieber Freund«.
Lorenzo.
»Die Freiluft-Schachsaison hat begonnen«, las ich. »Hättest Du Lust, wieder einmal einige Partien gegen mich zu verlieren?«
Lorenzos richtiger Name lautete Horst-Heinrich Lorentz, und er war der seltsamste Mensch, den ich kannte. Bevor er sich ins Privatleben zurückzog, hatte er jahrzehntelang an den Rezeptionen erstklassiger Hotels gestanden. Lorenzo stammte aus wohlhabendem Haus, weshalb er es niemals nötig gehabt hatte, Geld zu verdienen. Er hatte vieles erlebt, manches studiert und hätte bei seiner Intelligenz und Eloquenz vermutlich eine blendende akademische Karriere machen können. Stattdessen hatte er sich zum Leidwesen seiner Eltern in der Welt herumgetrieben, einige Jahre unter geheimnisvollen Umständen im Süden Italiens verbracht und schlieÃlich seine Bestimmung darin gefunden, in Nobelherbergen Wünsche von hoch getragenen Nasenspitzen abzulesen.
»Als Entschädigung könnte ich die eine oder andere Flasche guten Weines anbieten«, las ich weiter. Lorenzo war vermutlich der einzige lebende Mensch, der einen derart versnobten Genitiv benutzte, ohne rot zu werden.
AuÃerdem verfügte er über einen unerschöpflichen und immer bestens sortierten Weinkeller.
»Selbstverständlich würde es auch die eine oder andere Kleinigkeit zu
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