Der fünfte Mörder
Bewusstsein wiedererlangen.
Gemeinsam mit meinen Mitarbeitern sichtete ich die spärlichen Ergebnisse unserer ersten Ermittlungen. Der Cayenne war ein Totalschaden. An den umliegenden Häusern waren sieben Scheiben zu Bruch gegangen, ein hinter dem Geländewagen geparkter BMW war durch herumfliegende Teile stark beschädigt. Selbst der StraÃenbelag hatte durch den Brand gelitten. Drei Personen, die sich zum Zeitpunkt der Explosion in der Apotheke aufgehalten hatten, wurden wegen Verdachts auf Schock ärztlich behandelt.
Zu elft drängten wir uns in stickiger Luft um einen länglichen Besprechungstisch, während drauÃen alle Welt ihr verlängertes Wochenende genoss. Heute war Samstag. Ãbermorgen war erster Mai und somit Feiertag. In der Sonne hatte ich liegen wollen, herumtrödeln, ausspannen, drei lange Tage. Und Theresas Buch lesen, das vorgestern aus der Druckerei gekommen war.
»Nach Lage der Dinge gehen wir davon aus, dass es ein Zeitzünder gewesen ist«, erklärte der schwitzende Leiter des Spurensicherungstrupps mit leicht gekränkter Miene und sonorem Bass. Seine Hände waren wesentlich schwärzer, als meine es gewesen waren, obwohl er sie gewiss auch gründlich gewaschen hatte. »Sicher ist beim gegenwärtigen Stand aber noch gar nichts. Möglich, dass die Techniker in Stuttgart was anderes sagen, wenn sie die paar Krümel untersucht habe, die von der Zündelektronik übrig sind. Der Mann hat übrigens verdammtes Glück gehabt, dass er nicht in seinem Auto gehockt ist. Eine Viertelstunde früher â¦Â« Er seufzte schwer und schüttelte betrübt den Kopf.
Das war eine gute Nachricht. Zeitzünder bedeutete nämlich, dass der Anschlag nicht mir gegolten haben konnte. Fünf Minuten vor der Explosion hatte noch nicht einmal ich selbst gewusst, dass ich mich bald in der Nähe des Cayenne aufhalten würde.
Vangelis fasste zusammen, was sie bisher in Erfahrung gebracht hatte: »Halter des Cayenne ist ein gewisser Slavko Dobrev. Auf seinen Namen läuft auch das Lokal. Slavko arbeitet für seinen Onkel, von dem vermutlich das ganze Geld stammt. Er fungiert offenbar als Strohmann des Alten, weil er â im Gegensatz zum Onkel â deutscher Staatsbürger ist. Tagsüber macht er Fahrdienste und kauft ein. Abends ist er so was wie die Security.«
»Eine Pizzeria mit Security?«, fragte Balke verblüfft, der von meinem Verdacht auf illegale Prostitution noch nichts wusste.
Vangelis klärte ihn auf.
Der Spurensicherer räusperte sich. »Wir können übrigens verdammt froh sein, dass die Karre nicht mitten in der Stadt in die Luft geflogen ist. Dann hätten wir jetzt nicht nur ein paar kaputte Scheiben, sondern womöglich Tote oder Schwerverletzte. War schon eine dicke Ladung. Da hatâs einer wirklich ernst gemeint â¦Â«
»Was wissen wir sonst über den Sprengsatz?«, fragte ich.
»Nichts.« Er hob den Blick keine Sekunde von den Notizen, die ausgebreitet vor ihm auf dem Tisch lagen. »Ich tippe aber auf Plastiksprengstoff aus dem Osten. An den kommen sie zurzeit am leichtesten, drum wird er immer wieder gern genommen. Das bisschen Material, was wir haben, ist mit dem Zünder zusammen auf dem Weg zum LKA in Stuttgart. Nächste Woche wissen wir mehr. Jedenfalls warâs eine Haftladung mit Magnet, so viel kann ich schon mal sagen.« Er demonstrierte mit seinen Baggerhänden, wie groà beziehungsweise klein ein solcher Sprengsatz war. »Das geht ganz fix. Sie tun, als wäre Ihnen ein Schuhbändel aufgegangen, bücken sich, und patsch â pappt das Ding unterm Wagen. Da muss einer schon gut hingucken, dass er was davon mitkriegt.«
»Die Bombe könnte also schon länger am Tank geklebt haben?«
»Tage, Wochen, kein Problem. Das fällt höchstens in der Werkstatt auf oder beim TÃV . Ich meine, wer guckt schon jeden Tag unter sein Auto? Auf der anderen Seite â wozu sollte der Täter das Risiko eingehen, dass doch einer was merkt? Oder sein Opfer den Sprengsatz an einer Bodenwelle verliert? Ich tippe, das Päckchen hat erst seit ein paar Stunden dort gehangen.«
Klara Vangelis wirkte heute müde, fiel mir auf, und blasser als sonst. Hoffentlich wurde sie mir nicht krank. Sie gab sich offenkundig Mühe, es niemanden merken zu lassen. Jetzt ergriff sie wieder das Wort: »Augenzeugen haben wir bisher leider keine.
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