Der fünfte Mörder
endlich abgerissen«, meinte Kollegin Schütte. »Die Firma, der das Areal gehört, ist pleite, und jetzt streitet die Stadt seit Ewigkeiten mit dem Inhaber rum, wer für die Abrisskosten aufkommen muss. Und wir haben den Ãrger mit der Halle. Weil sie so schön einsam liegt, treibt sich hier immer wieder alles mögliche Gesindel rum. Penner oder Jugendliche, die die Halle zur Disco umfunktionieren.«
Balke streifte mit den Händen in den Taschen herum und besah sich die feuchte Bescherung. Hinten links befand sich ein alter, dreckverkrusteter Spülstein, einige Schritte davon entfernt stand ein wackeliger Tisch mit Chrombeinen und Kunststoffoberfläche, auf dem zahllose, überwiegend leere Bierflaschen standen. Am Boden Zigarettenkippen, ketchupverklebte Hamburgerverpackungen und Pommestüten. Vier verbogene Stühle im selben Design wie der Tisch. In der anderen Ecke entdeckten wir neben einem Stapel Bauholz drei teilweise angekokelte Matratzen. Auch darum herum leere Flaschen, Kippen und Red-Bull-Dosen.
»Weià man schon, wie der Brand entstanden ist?«
»Wie es aussieht, haben wieder mal ein paar Kids ordentlich Party gemacht. Vielleicht ist es ihnen zu kalt geworden, und sie haben ein Feuerchen angezündet?«
»Zu meiner Zeit hieà es, eine Party, bei der die Polizei nicht kommt, taugt nichts«, meinte Balke. »Aber auch noch die Feuerwehr â Kompliment. Muss ein tolles Fest gewesen sein!«
Er sah um sich, als sehnte er sich nach seiner Jugendzeit zurück.
»Steht das Tor eigentlich immer offen?«, fragte ich.
»Natürlich nicht«, erwiderte die Kollegin. »Da hängt eine schwere Kette mit einem Schloss. Aber die schrauben einfach den Beschlag ab, wenn sie rein wollen. AuÃerdem â¦Â« Sie wies auf die Fenster an der Rückfront der vielleicht acht mal zwölf Meter messenden Halle, »das eine Fenster schlieÃt auch nicht mehr. Hier kann jeder rein und raus, wieâs ihm passt. Immerhin sind sie wenigstens so anständig gewesen, die Feuerwehr anzurufen, bevor sie sich verkrümelt haben.«
Man brauchte kein Fachmann zu sein, um zu erkennen, dass die nicht verbrannten Balken und Bohlen groÃe Ãhnlichkeit hatten mit denen, die wir im Tunnel gesehen hatten. Runkel hob ein Brett hoch, das zwar durch und durch nass, ansonsten jedoch unversehrt war, betrachtete es missmutig und lieà es wieder fallen.
Balke zog die Schublade unter der Tischplatte auf. »Hier ist was!«, rief er und begann, seinen Fund auf dem Tisch auszubreiten.
Es waren etwa zehn aus einem Spiralblock gerissene Blätter. Skizzen, Berechnungen, Notizen in einer Schrift, die wir nicht lesen konnten. Die Skizzen dagegen verstanden wir auf den ersten Blick. Was hier vor uns lag, waren einfache, aber sauber ausgeführte Pläne für den Tunnel. Die Berechnungen schienen die Mengen an Holz zu betreffen, die man benötigt hatte, die Längen der Balken, Bohlen und Stützen.
Ein enormer Haufen Sägemehl und Holzabfälle an der westlichen Seitenwand und eine museumsreife Kreissäge verrieten, dass die Bulgaren ihr Baumaterial hier nicht nur gelagert, sondern auch zugeschnitten hatten. Gleich rechts neben dem Hallentor stand ein kleiner Stromgenerator japanischen Fabrikats, der vermutlich den Strom für die Säge erzeugt hatte. Zum Glück hatte es auf dieser Seite nicht gebrannt. Die Matratzen stammten vielleicht ebenfalls von Schivkov und seinen Helfern und nicht, wie ich zunächst angenommen hatte, von den feiernden Jugendlichen.
Ich hob einen etwa vierzig Zentimeter langen Span auf, der von einem glatt gehobelten Brett abgebrochen war, drehte ihn ratlos zwischen den Fingern, warf ihn auf den groÃen Haufen der Holzabfälle.
Runkel war inzwischen irgendwohin verschwunden. Balke gähnte. Die Polizeihauptmeisterin sah mich erwartungsvoll an. Ich überlegte, ob es sich lohnte, die Spurensicherung anzufordern. Da kam Runkel zurück, begleitet von einem verlegenen Rentner im Outdoor-Anzug mit Bügelfalte, der sich nicht durch das Tor traute.
»Chef«, rief Runkel aufgeregt. »Kommen Sie mal?«
Bei dem Rentner handelte es sich um den Angler, der den blauen Lieferwagen gesehen hatte, klärte mich Kollegin Schütte auf, während wir auf die beiden zugingen. Sie klang, als würde sie nicht allzu viel auf seine Aussage geben.
»Gerber«, stellte sich der Rentner mit einer Stimme vor, die nach
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