Der fünfte Mörder
zufrieden in mein Büro zurückkehrte, stand neben meinem Schreibtisch eine hellgrüne Plastikwanne, in der eine völlig durchnässte, etwa dreiÃig mal vierzig Zentimeter groÃe Holzkiste lag. Der Deckel dazu, in dessen Rändern noch die Nägel steckten, lag lose auf der Kiste.
»Das hat der Herr Runkel vorhin gebracht«, klärte Sönnchen mich auf. »Sie wüssten schon, hat er gesagt.«
Missmutig schob ich die Wanne, in der ein wenig trübes Wasser schwappte, in die hinterste Ecke meines Büros. Am Deckel der Holzkiste fehlte ein Teil. Beim Aufhebeln war offenbar ein Stück Holz in Form eines länglichen Dreiecks abgebrochen.
»Was da oben drauf steht«, meinte Sönnchen eifrig, »das muss Arabisch sein. Oder Israelisch.«
»Sie kennen sich damit aus?«
»Na ja, auskennen â¦Â« Sie kicherte wie ein Teenager. »Ich bin vor Jahren mal in Jerusalem gewesen, mit dem Chor. Und da waren überall diese komischen Kringel auf den Wegweisern.«
Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und versuchte nachzudenken.
Noch gab es keinen Beweis dafür, dass Schivkov sein Lokal selbst in Brand gesteckt hatte. Den Mercedes konnte irgendjemand in der Nähe seines Unterschlupfs versenkt haben. Vielleicht zufällig, vielleicht auch, um mich genau das glauben zu lassen, was zu glauben ich mich weigerte. Aber einmal angenommen, die Bulgaren hätten tatsächlich ihr eigenes Lokal niedergebrannt, was würde das bedeuten?
Ging es vielleicht einfach nur darum, den Russen so lange auf die Nerven zu gehen, sie so lange zu reizen, bis sie endlich die Maske der biederen Geschäftsleute fallen lieÃen und zurückschlugen?
Ich erhob mich und trat ans Fenster. DrauÃen herrschte heute eine fast hochsommerliche Wärme. Gut gelaunte Menschen waren in T -Shirts unterwegs, die Damenwelt zeigte winterblasse Haut. Ein leichter Wind ging, und plötzlich dachte ich an Theresa.
Ãbers Wochenende hatte ich ihr Buch zu Ende gelesen, ihr mehrere SMS voller überschwänglicher Komplimente geschickt, die sie allesamt eher einsilbig beantwortet hatte. Dabei hatte ich mich tatsächlich gut unterhalten.
Die Geschichte von Kurfürst Carl Theodor (1724âââ1799) und seiner lebenslustigen Elisabeth Auguste (1721âââ1794) hatte mich sogar zum Lachen gebracht. Während üblicherweise die Damen im Liebesreigen die Geprellten waren, war es hier genau umgekehrt gewesen: Die Kurfürstin hatte neben ihrer Ehe ein höchst abwechslungsreiches Leben geführt voller amouröser Abenteuer und Seitensprünge. Nebenbei hatte sie ihren kränklichen und oft verzagten Carl Theodor weitgehend von der Last des Regierens befreit. Erst im Alter von fast vierzig Jahren war es ihm gelungen, sich allmählich aus der »Dominanz seiner Gemahlin zu befreien«, und prompt wurde die Kurfürstin zum ersten Mal schwanger. Die Liebe geht oft verschlungene Wege. Der Kurprinz starb jedoch bei der Geburt, und alle Hoffnungen auf ein erträgliches Zusammenleben zwischen Fürst und Fürstin waren dahin.
Vielleicht sollte ich Theresa einfach anrufen? Vielleicht lieà sich manches am Telefon besser klären als Auge in Auge? Liebekind war in seinem Büro, wusste ich. Sie war vermutlich allein.
Ich zückte mein Handy und suchte ihre Nummer.
Sie nahm beim zweiten Tuten ab.
»Hi«, sagte sie fröhlich. »Schön, dass du dich meldest.«
»Ich habe Sehnsucht nach dir.«
»Hat sich am Donnerstag nicht so angefühlt.«
Sie lachte. Immerhin.
»Sollen wir es heute Abend noch mal miteinander versuchen?«
»Du klingst auf einmal ganz anders. Fast wieder wie früher.«
»Du übrigens auch.«
Sie lachte schon wieder. »WeiÃt du, was mir klar geworden ist? Ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen dir gegenüber. Frag mich bitte nicht, warum.«
»Warum?«
»Das weià ich doch selbst nicht. Ich habe übrigens Egonchen gegenüber auch ein schlechtes Gewissen.«
»Wieso? Er profitiert doch davon, dass du bei ihm geblieben bist, als â¦Â«
»Als er festgestellt hat, dass er schwul ist. Du darfst es ruhig aussprechen. Vielleicht hast du recht. Ich war weder zu ihm noch zu dir wirklich ehrlich in den letzten Monaten. Ehrlich wäre gewesen, ihn zu verlassen. Aber ich habe mich über die Jahre so an ihn gewöhnt. Wir verstehen uns immer noch blendend. Eine Weile
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