Der Fürst der Dunkelheit
tun würde. “Kommen Sie nach nebenan. Nur für zehn Minuten. Aber Sie können jederzeit gehen, wenn Sie wollen.”
Ihr wurde klar, dass sie nicht nur nicht schreien würde, nein, sie würde auch noch mit ihm in sein Cottage gehen.
Sie versuchte sich selbst einzureden, dass keine ernsthafte Gefahr bestand. Die Cottages waren klein und standen dicht beieinander. Wenn sie schreien sollte, würde es garantiert jemand hören.
Oder doch nicht?
“Wenn Sie immer noch glauben, ich wäre komplett wahnsinnig, nachdem Sie gehört haben, was ich zu sagen habe, dann, das schwöre ich, lasse ich Sie in Ruhe.”
“Ich könnte Sie festnehmen lassen”, log sie.
“Ihr aller Leben wäre das Risiko wert.”
Er klang so aufrichtig.
Sie wusste genau, dass die leise Stimme in ihrem Kopf, die sie aufforderte, Nein zu sagen, recht hatte. Sicher, sie fühlte sich zu diesem Mann hingezogen, und das auf eine Art, von der sie angenommen hatte, sie würde so etwas nie wieder erleben. In seiner Gegenwart flammten alle ihre Sinne auf, aber das war ein blödsinniger Grund, ihm zu vertrauen. Und doch …
“Das sollte besser schnell gehen”, sagte sie brüsk. “Warten Sie. Ich schließe noch die Tür ab.”
Und zu ihrer eigenen Verblüffung ging sie ganz ruhig wieder in ihr Cottage, holte den Schlüssel, kam freiwillig wieder heraus und zog die Tür fest ins Schloss. Er ging die paar Meter zu seinem eigenen Cottage voraus, öffnete seine Tür und geleitete sie hinein.
Sie holte tief Luft, als sie das Cottage betrat.
Hatte sie soeben ihr eigenes Todesurteil unterschrieben?
Das Cottage war genauso eingerichtet wie ihr eigenes, Schlafzimmer, Küchenecke, Bad und Wohnzimmer. Bei ihnen war die Couch zum Bett ausgezogen. Hier war sie nur ein Sofa. Sie entschied sich für den Stuhl. Auf keinen Fall würde sie sich neben ihn setzen.
“Möchten Sie etwas trinken?”
“Nein. Sie sagten, Sie wollen reden, also reden Sie.”
Er setzte sich ihr gegenüber auf die Couch, zwischen ihnen stand ein Kaffeetisch. Er beugte sich vor und atmete tief ein. Dann schaute er auf und sah ihr in die Augen.
“Sie wissen, dass die Gefahr echt ist. Im Mississippi wurde eine kopflose Leiche gefunden.”
“Die Nachricht konnte man ja kaum übersehen”, erwiderte sie.
“Und wie ich Ihnen sagte, weiß ich, wer der Mörder ist.”
Eigentlich sollte ich ihn verdächtigen, dachte sie. Aber irgendwie glaubte sie das nicht. Sonst wäre sie doch auch niemals freiwillig mit in sein Cottage gegangen.
Nein, er mochte nicht ganz dicht sein, aber er wirkte aufrichtig.
“Wie können Sie da so sicher sein?”, fragte sie ihn.
“Weil ich Stephan kenne.”
Sie starrte ihn an, während sie versuchte zu verdauen, was er gerade gesagt hatte. Dann fragte sie vorsichtig: “Und Sie sind sicher, dass das, was Sie mir erzählen, real ist?”
“Stephan Delansky ist sehr real”, teilte er ihr ruhig mit. “Ich bin hier, weil ich einem seiner Gefährten begegnet bin, der mir sagte, dass Stephan auf dem Weg hierher wäre. Mit einer ganzen Armee.”
“Einer Armee?”, fragte sie zweifelnd. “Wer ist dieser Stephan Delansky?”
“Ein alter Feind. Und nicht nur mein Feind. Er ist ein sehr gefährlicher Mann. Vor vielen Jahren bin ich einmal nach Kiew gereist, in die Ukraine. Dort habe ich eine Frau kennengelernt. Katya.”
“Die, an die ich Sie erinnere.”
“Ja”, sagte er sehr leise, holte noch einmal tief Luft. “Eigentlich komme ich aus dieser Gegend hier. Katya kam mit mir hierher. Ich war bis über beide Ohren in sie verliebt, und Katya ging es umgekehrt ebenso. Ich habe sie Katie genannt. Wir wollten aber wieder zurück in ihre Heimat gehen, um dort zu heiraten. In Kiew. Sie hatte immer davon geträumt, in einer alten Burg zu heiraten, und dort gibt es sehr viele schöne Burgen. Aber während wir noch hier waren, glaubte sie, immer wieder einen alten Freund zu sehen – Stephan. Einmal habe ich gesehen, wie sie sich mit ihm unterhalten hat. Ich habe sie nach ihm gefragt und sogar vorgeschlagen, dass sie uns einander vorstellt, aber er hatte kein Interesse daran, mich kennenzulernen. Währenddessen haben wir unsere Hochzeit weiter geplant. Aber bevor sie stattfinden konnte, war Katie tot. Wegen Stephan.”
Seine Stimme war hypnotisierend, fesselnd. Sie berührte etwas ganz tief in ihrem Innersten. Einen Bereich, über den sie keine Kontrolle hatte. Sie wollte ihm zuhören, wollte ihm glauben.
Aber gleichzeitig dachte sie, dass der Schmerz seines
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