Der Fürst der Dunkelheit
Verlustes ihn möglicherweise in Wahnvorstellungen getrieben hatte. Sie wusste schließlich selbst, wie es war, die Wahrheit erst zu leugnen, dann durch die Phasen von Wut und Schmerz zu gehen, um schließlich den Verlust zu akzeptieren.
Vielleicht war er noch nicht so weit.
“Hat er sie erschossen? Erstochen? Was hat er getan?”, fragte Lauren sanft.
Eine Minute lang ließ er den Kopf hängen. Sie war in Versuchung, eine Hand auszustrecken, die dunkle Fülle seines Haars zu berühren.
Dann richtete er sich auf und sah ihr wieder direkt in die Augen.
“Stephan ist ein Vampir.”
Sie erstarrte, schaute ihn ungläubig an, wünschte, sie hätte nicht richtig gehört. Doch das hatte sie.
“Ich verstehe”, sagte sie. Aber sie verstand nur eines, nämlich dass dieser Mann Wahnvorstellungen hatte. Es war so traurig. Der erste Mann, der in ihr den Wunsch geweckt hatte, noch einmal eine Beziehung einzugehen, vielleicht sogar noch einmal zu lieben.
Eine Beziehung?
Na schön: Sex.
Sie musste sich wieder in den Griff kriegen. Sie war noch nie der Typ gewesen, der sich auf beiläufigen Sex einließ.
An diesem Mann war allerdings auch überhaupt nichts Beiläufiges.
Sogar jetzt noch, nachdem sie gehört hatte, wie er in vollem Ernst über die Existenz von Vampiren sprach, hatte sie immer noch das Bedürfnis, sein reiches, nachtdunkles Haar zu berühren.
Er schüttelte den Kopf, ein sich selbst verspottendes Lächeln im Gesicht.
“Ich weiß, dass Sie mir nicht glauben. Aber ich kenne diesen Polizisten, der in der Bar aufgetaucht und Ihnen dann bis hierher gefolgt ist. Lieutenant Sean Canady. Ich bin heute mit ihm im Leichenschauhaus gewesen.”
“Im Leichenschauhaus?”, wiederholte sie und starrte ihn ausdruckslos an.
“Ich musste die Leiche sehen.”
“Die Frau ohne Kopf?” Allein bei dem Gedanken wurde ihr angst und bange.
“Ja.”
“Damit ich da nichts falsch verstehe. Lieutenant Canady, ein offizieller Polizeibeamter, hat Sie mitgenommen, damit Sie sich die Leiche eines Mordopfers ansehen können?”
“Das hat er getan. Sie können ihn danach fragen.”
Sie hörte die Wahrheit, die in seiner Stimme klang, und das überzeugte sie, dass Canady ihn tatsächlich mitgenommen hatte, um sich die Leiche anzusehen.
Großartig. Die Bullen waren auch verrückt geworden.
Er hob eine Hand. “Bitte, lassen Sie mich ausreden. Die Polizei ist genauso wenig wahnsinnig wie ich. Aber wir sind hier in New Orleans, dem Mittelpunkt des Voodoo-Kults. Die Polizei ist sich bewusst, dass hier alle möglichen kultischen und verrückten Dinge vorgehen.”
“Sicher”, murmelte sie.
Sie musste hier raus. Er hatte geschworen, er würde sie nicht aufhalten. Sie brauchte lediglich aufzustehen und zu gehen.
Aber sie tat es nicht.
“Und was haben Sie entdeckt, als Sie sich die Leiche ansahen?”
“Obwohl sie geköpft worden war, konnte man die Bisswunden sehen.”
“Bisswunden? Von einem Vampir?”
“Ja.”
Sie atmete vorsichtig ein. Ihr Gefühl sagte ihr, sie solle so schnell wegrennen wie nur möglich, aber gleichzeitig war sie fasziniert von diesem Gespräch.
Und wünschte verzweifelt, dass …
Dass sie dieses Gespräch überhaupt nicht führen würden.
“Na schön”, sagte sie. “Reden wir mal darüber, was heute Abend in der Bar vorgefallen ist. Deanna hält diesen Mann, diesen Jonas, für einen Freund. Warum wollten Sie ihn zusammenschlagen?”
“Weil er ein Vampir ist.”
“Ich dachte, Stephan wäre der Vampir?”
“Stephan ist
ein
Vampir, und zwar ein sehr alter. Ein sehr mächtiger. Er kann die Menschen um sich herum beeinflussen, ihnen Respekt einflößen.” Er lachte spöttisch. “Genau wie ein Sektenführer.” Leise fuhr er fort: “Ich glaube, Stephan ist mit einer ganzen Armee von Vampiren hier. Und ich bin überzeugt, er weiß, dass auch Sie hier sind.”
“Und er ist hinter mir her, weil ich aussehe wie Katie?”
“Ich weiß nicht, ob er seit Jahren unerwidert in sie verliebt war oder ob sie zu besitzen für ihn schlicht eine Frage des Stolzes, eine Besessenheit geworden war. Aber Sie haben recht, wenn sogar ich – nur für den Bruchteil einer Sekunde – bei Ihrem Anblick geglaubt habe, Sie wären Katie, dann kann ich Ihnen versichern, dass es Stephan ganz genauso geht.”
Sie befeuchtete sich die Lippen und sprach ganz sanft, ganz vernünftig. “Na gut, also … also, wenn Stephan mich will, warum ist dann Jonas hinter Deanna her?”
“Ich hatte gehofft, das heute Nacht
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