Der Fürst der Maler
ich einen jungen Mann skizzierte, der auf einem Esel die Via Larga entlangritt.
»Nicht schlecht!«, kommentierte er und trank einen Schluck Wein. »Diese Haltung! Ist das der Messias?«
»Wenn du willst …« Mit ein paar schnellen Strichen änderte ich die Kleidung des Mannes. »Für sechs Soldi überlasse ich es dir«, bot ich ihm an und begann die nächste Zeichnung. Ein Bettler auf der Marmorbank neben der Loggetta des Palazzo Medici. Ich zeichnete ihn als Petrus.
Der Mann lachte, und seine blauen Opalaugen funkelten. »Sechs Soldi? Ist die Zeichnung so viel wert?«
»Keine Ahnung, wie viel sie wert ist.« Ich ließ mich von seinem spöttischen Tonfall nicht provozieren. »Wie viel ist sie dir wert?«
»Warum dann gerade sechs Soldi?«, fragte er neugierig.
»Das Bistecca alla Fiorentina in der Trattoria nebenan kostet drei Soldi, ein Becher verdünnter Wein einen Soldo. Ich bin hungrig. Und durstig.«
»Bistecca und Wein kosten zusammen vier Soldi. Was machst du mit den anderen beiden?«
»Ich werde Zeichenpapier kaufen. Für weitere Skizzen.«
»Die du dann verkaufen wirst?«
»Ich habe kein Geld«, gestand ich.
Der Mann deutete auf die Zeichnung des Messias auf dem Esel. »Sechs Soldi ist ein inakzeptabler Preis.«
Ich zögerte. »Wie viel bietest du?«
Er lachte amüsiert, griff in die Geldbörse, die er am Gürtel trug, und zählte mir zehn Fiorini d’Oro auf die Hand. »Damit du bis heute Abend nicht verhungerst.«
»Heute Abend?«, fragte ich verunsichert. Auf was hatte ich mich eingelassen? Wofür bezahlte er mich, wenn nicht für die Zeichnung?
»Via San Gallo 15. Bei Sonnenuntergang.« Er erhob sich und stieg die Stufen hinab zur Via Larga.
Mit den zehn Fiorini in der Hand saß ich auf der Treppe und sah ihm nach. Ich hatte ihn nicht einmal nach seinem Namen gefragt! Und die Zeichnung lag noch immer neben mir!
Im Haus der Gilden setzte ich schwungvoll meinen Namen unter die von Michelangelo Buonarroti und Leonardo da Vinci.
Ich glaubte fest daran, dass ich alles erreichen konnte, wenn ich es nur wollte! Gehe deinen Weg, und werde, der du bist! Ich zahlte den einen Fiorino, der mich von einem Bettler zu einem wirklichen Menschen machte, und fragte mich zur Apotheke am Canto delle Rondine durch.
Der Laden hatte vor Jahren dem Humanisten Matteo Palmieri gehört und belieferte Leonardo und Perugino mit Farben. Ich kaufte Bleiweiß, Goldstaub, Karminrot aus getrockneten und gemahlenen Läusen, die tiefrote Farbe namens Drachenblut aus dem Harz von Kokospalmen, Zinnober, geriebenen schwarzen Asphalt aus Persien, dunkle Umbra-Erde und die hellere Terra di Siena, Grünspan vom Kupfer, Malachit, Indigo, das leuchtende Blau des gemahlenen Lapislazuli aus Oltramare und Elfenbeinschwarz aus verkohlten Tierknochen. Dazu erwarb ich Gips für die Grundierung, Öllasur und Bernstein für den Firnis, Marderhaar und Schweineborsten für die Pinsel.
Für die Farben zahlte ich acht Fiorini und zwei Soldi. Der Hunger war nicht mehr so schlimm. Der Traum hält uns am Leben, wenn er auch nicht satt macht.
Vor mir lag die Via San Gallo im Licht der untergehenden Sonne. Die Umgestaltung der Stadt hatte auch vor dieser Straße nicht Halt gemacht. Wie bei der Errichtung der Palazzi Medici, Strozzi und Pitti waren auch hier Dutzende von kleinen Häusern abgerissen worden, um einem Palazzo mit seinen Loggien, Ställen und Gärten Platz zu machen.
An der Stelle, wo der Zählung nach das Haus Via San Gallo 15 stehen sollte, ragte der großartige Palazzo eines florentinischen Bankhauses in den glühenden Abendhimmel. Über dem Portal las ich das bemalte Wappenschild: Banca Taddei.
Nicht nur die Familien der Medici, der Pitti, der Strozzi und der Tornabuoni unterhielten bedeutende Bankhäuser in ganz Europa. Vom nebeligen London bis ins osmanische Constantinopolis und vom kalten Nowgorod bis zum ehemals maurischen Granada tätigten die Florentiner Bankherren die Kreditgeschäfte der zivilisierten Welt und hatten als Nobili die Macht in Florenz.
Unschlüssig stand ich vor dem Tor zwischen den über das Steinpflaster rumpelnden Eselskarren und den vom Mercato Vecchio kommenden Marktfrauen, als mir ein Bediensteter durch den Bogengang zum Gittertor entgegeneilte. »Ihr werdet erwartet, Maestro!«, rief er, als ich mich gerade umwenden wollte.
»Und wer erwartet mich?« Ich war irritiert über die förmliche Anrede.
»Was für eine Frage! Il Principe erwartet Euch!«
Der Diener öffnete mir das
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