Der Fürst der Maler
wie Felice – auch sie kann dich nicht vergessen. Ihr zwei seid wie Amor und Psyche, die sich nicht finden können. Du verschießt einen Pfeil nach dem anderen, und die Frauen der della Rovere liegen dir zu Füßen, Raffaello! Selbst meine Mutter Isabella d’Este, die Prima Donna Italiens, läuft dir hinterher. Da kann ich ja glücklich sein, dass ich es bis in dein Bett geschafft habe«, sagte sie zynisch. »Wirst du jemals nur eine Frau lieben, Raffaello?«
»Nein, Eleonora! Verlange nicht von mir, dass ich dir so etwas verspreche! Ich sehne mich nach der Zärtlichkeit, seit ich mit acht Jahren am Grab meiner Mutter stand. Ich sehne mich nach der Liebe, seit ich meinen Vater verloren habe. Ich liebe es, geliebt zu werden. Und ich liebe jeden, der mich liebt. Anders kann ich nicht leben.«
»Du liebst sogar deine Feinde: Francesco …«
»Francesco ist mein bester Freund!«
»… Michelangelo …«
»Ich gehe nicht mit ihm ins Bett.«
»Aber du liebst ihn. Warum sonst kehrst du immer wieder zu ihm zurück?«, fragte sie.
Michelangelo hatte vor zwei Tagen geschrieben, dass er die Bronzestatue des Papstes in Bologna fertig gestellt habe. Nach über einem Jahr Abwesenheit war er nach Florenz zurückgekehrt, um seine Sklaven aus dem Marmor zu befreien.
Ich küsste sie und begann schweigend, mich anzuziehen.
»Bitte geh nicht«, flüsterte sie. »Bleib bei mir!«
»Du kannst mich nicht festhalten, Eleonora.«
»Niemand kann dich festhalten, Raffaello. Niemand kann dir die Flügel stutzen. Felice nicht, Fioretta nicht und ich auch nicht«, seufzte sie. »Wie Amor fliegst du von Wolke zu Wolke. Du genießt deine Freiheit, lässt dich eine Zeit lang nieder. Wir Wölkchen sind glücklich, wenn du dich ein wenig bei uns ausruhst und mit deinen Pfeilen übst, bevor du weiterfliegst.«
Ich schwieg betroffen.
Sie half mir, das Hemd zu schnüren. »Wohin fliegst du, Amor?«
Wohin? Ich ließ mich in die Kissen sinken und schloss die Augen. Mein Weg war lang und gewunden gewesen. Ich hatte als Künstler ganz von vorne angefangen, nachdem ich als unbekannter, junger Maler nach Florenz gekommen war – nur mit einem Empfehlungsschreiben der Herzogin Elisabetta an Piero Soderini in der Tasche. Florenz war Himmel und Hölle zugleich gewesen. Aber Schritt für Schritt hatte ich meinen Weg gefunden, vorbei an Giotto und Masaccio, an Fra Angelico und meinem Maestro Pietro Perugino. Nun war ich neben Leonardo und Michelangelo der berühmteste, der begehrteste Künstler von Florenz. Umschwärmt von Isabella d’Este, die sich von mir porträtieren lassen wollte, von ihrem Bruder Alfonso d’Este, der mich als Architekt nach Ferrara holen wollte. Ich war der Hofmaler von Urbino, der Freund und Vertraute von Herzögen und Kardinälen. Was sollte jetzt noch kommen? Wohin wehte mich der Wind des Schicksals?
»Ich weiß es nicht«, gestand ich Eleonora.
Dann verließ ich sie.
Der Morgen graute, als ich die Casa Santi erreichte. Müde stieg ich die Stufen in den ersten Stock hinauf. Aus der Küche drangen leise Geräusche. Die Tür stand halb offen.
Das Feuer im Kamin brannte, Gianni saß auf der Holzbank am Tisch. Auf seinem Schoß saß rittlings ein Mädchen. Ihr Rock war hochgeschoben, ihr Mieder offen. Sie stöhnte leise und warf den Kopf zurück, als Giannis Zunge spielerisch über ihre Brüste glitt und an ihren Rosenknospen zu saugen begann. Dabei hörte er nicht auf, sich zu bewegen.
Ich blieb stehen. Gianni war zwanzig Jahre alt – ein Mann! Lautlos trat ich einen Schritt zurück. Ich wollte ihn bei seiner Meisterprüfung in der Kunst der Liebe nicht stören.
Das Mädchen legte ihre Arme um Giannis Schultern und zog ihm das Hemd aus. Dann verschränkte sie die Beine hinter seinem Rücken und beschleunigte den Rhythmus. Keuchend galoppierten die beiden über die weiten Felder der Lust.
Ich wartete, bis sie fertig waren. Dann erst betrat ich die Küche.
»Dio mio!« , flüsterte das Mädchen, als es mich sah. »Der Signore!« Eilig stieg sie von Gianni herunter und richtete ihre Kleidung. Während sie ihr Mieder schnürte, lächelte sie mich fragend an: ob der Signore nicht auch ein wenig Spaß haben wollte …?
Auf einen ungeduldigen Wink von mir verschwand sie.
Gianni grinste mich verlegen an.
Ich nahm ihm gegenüber am Tisch Platz und goss mir einen Becher Wein ein.
»Ich hätte es dir erzählt, Raffaello«, versicherte er mir, als ich schweigend den Becher leer trank. Hatte er Angst vor meinem Zorn?
»Du
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