Der Fürst der Maler
lächelte nachsichtig.
Mein Freund Bastiano war vor wenigen Tagen bei mir gewesen und hatte sich über Michelangelos tyrannisches Wesen beschwert. Sklaventreiber, so nannte er ihn. Nach dem dritten Becher Wein hatte Bastiano mich verzweifelt gefragt, ob er nicht in meiner Werkstatt mitarbeiten könnte. Er hielt Michelangelos Launen nicht mehr aus.
»Was willst du nun tun?«, fragte ich Michelangelo.
»Ich gehe zurück nach Florenz.« Eine Antwort wie ein unbehauener Marmorklotz.
»Willst du schon wieder fliehen?«, provozierte ich ihn.
Er wirbelte herum, funkelte mich an. »Ich fliehe vor der Sinnlosigkeit der Aufgabe, Ornamente an diese verfluchte Decke zu pinseln«, erzürnte er sich. »Und Maestros wie Granacci und Sangallo wie Lehrlingen das Malen beizubringen.«
»Dann gib du dieser Aufgabe einen Sinn«, forderte ich ihn ungeduldig auf. »Aber lauf nicht wieder vor ihr weg.«
Michelangelo sah mich sprachlos an.
»Male die Ornamente, die Julius wünscht! Aber male sie auf deine Art, in der Manier des Michelangelo. Donato Bramante hat dir den Krieg erklärt – fordere ihn zur Farbschlacht, wie du es in Florenz mit Leonardo getan hast.«
»Zur Farbschlacht …?«, fragte Michelangelo verblüfft.
»Wenn du deinen Moses nicht in Marmor erschaffen kannst, dann male ihn an die Decke der Sixtina! Als Prophet! Und damit die Kardinäle bei der Messe etwas zum Schauen haben, male noch ein paar halb nackte Sibyllen daneben.«
Zwei Wochen später tauchte Bastiano da Sangallo in den Stanzen auf.
Ich war auf das Gerüst geklettert und malte Gott mit der Weltkugel in der Hand. Zuvor hatten Gianni und Giulio den Karton über den frischen Gipsverputz gehalten, damit Raffaellino und Polidoro die punktierten Linien der Umrisse der Figur mit feinem Kohlestaub auf die Wand übertragen konnten.
Dann musste alles schnell gehen, denn die Farbe wurde al fresco auf den feuchten Putz aufgetragen. Wenn die oberste Schicht abtrocknete, war jede Bemalung sinnlos, und der Putz musste am übernächsten Tag abgeschlagen werden, wenn er ausgehärtet war.
Giulio hielt mir die Palette und das Gefäß mit Wasser, während ich mit schnellen Pinselstrichen das Gesicht malte, die Augen, die silbernen Haare, den wallenden Bart, die schweigsamen Lippen, die zum letzten Mal mit Hiob gesprochen hatten. Ich konzentrierte mich, denn kein Pinselstrich, kein Farbklecks konnte korrigiert werden, ohne das Fresko wieder abzuschlagen …
Bastiano stürmte in die Stanza, als wäre der Teufel hinter ihm her. Sein Gesicht war ein Mosaik aus Farbtupfern. »Raffaello! Komm sofort!«, rief er atemlos. Er war die Treppe zwischen der Sixtina und den Stanzen heraufgelaufen. »Das musst du dir ansehen!«
Ich sah ihn vom Gerüst herunter an. »Ich kann hier nicht weg, Bastiano! Du siehst doch, dass ich male. Wenn der Verputz trocknet …«
»Er ist verrückt geworden, Raffaello«, unterbrach mich Bastiano.
»Wer?«, fragte ich.
»Michelangelo! Er schlägt alles herunter, was wir bisher freskiert haben! Er ist wahnsinnig. Sprich mit ihm! Vielleicht kannst du ihn zur Vernunft bringen …«
Fluchend gab ich Giulio den nassen Pinsel, dann sprang ich vom Gerüst und gab Gianni Anweisung, den Gipsverputz so lange zu befeuchten, bis ich zurückkehrte. Aber nicht zu nass, denn sonst würde die Farbe herunterlaufen und der frische Putz gleich hinterher.
Dann folgte ich Bastiano durch die Stanzen und Loggien und die Treppe hinunter in die Sixtina.
In der Kapelle herrschte die Apokalypse!
Michelangelo schlug vom Gerüst aus wie ein Irrer auf den Apostel Petrus ein. Das Donnern seiner Schläge hallte durch die Kapelle und brachte den Raum zum Vibrieren. Der Verputz zerbarst und fiel mit Getöse hinab auf den Mosaikboden der Kapelle.
»Er zerstört alles«, rief Bastiano verzweifelt und raufte sich die vom Gipsmörtel überzuckerten Haare.
Ohne Eile kletterte ich auf das Gerüst, auf dem Michelangelo wütete. Ich konnte ihn ohnehin nicht von dem abhalten, was er tun musste. Als ich die Plattform erreichte, fragte ich: »Was ist das: Genesis oder Apokalypse? Erschaffst du oder zerstörst du?«
Michelangelo hatte mein Kommen nicht bemerkt. Er fuhr herum und ließ Hammer und Schlageisen sinken. »Ich vernichte, um Neues zu erschaffen. Ich werde die Genesis malen.«
Bastiano war hinter mir die Treppe des Gerüsts hochgestiegen. Er sah mich entsetzt an, als ich Michelangelo wortlos Hammer und Schlageisen aus der Hand nahm und ihm half, den Apostel von der Wand zu
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