Der Fürst der Maler
Kaufmann der Christenheit –, der reichste Mann der Welt, sondern auch ein Liebhaber von seltenen Büchern und Schriften. Er hatte vor wenigen Wochen in seiner Druckerei das erste Buch in griechischer Schrift drucken lassen.
Chigi war ein persönlicher Freund von Giuliano della Rovere. Julius fand seine Dienste so unverzichtbar, dass er seinem Freund sogar erlaubt hatte, das Wappen und den Namen della Rovere zu führen. Nicht nur einmal hatte der Papst ihm die Hand einer seiner Töchter angeboten, um Chigi in seine Familie aufzunehmen.
Ich reichte ihm die Hand. »Es ist eine Ehre für mich, Euch kennen zu lernen, Signor Chigi.«
Chigi nickte mir freundlich zu: »Monsignor Santi.«
Ich sah ihm nach, wie er die anderen Gäste begrüßte, die über seine Anwesenheit ebenso überrascht waren wie ich.
Ein Raunen ging durch die Reihen der Kardinäle und Monsignori, der florentinischen und römischen Kaufherren und Bankiers: Papst Julius war mit seiner Eskorte unten an der Treppe erschienen.
Ich ging ihm entgegen, fiel vor ihm auf die Knie und küsste seinen Ring. »Ich weiß, du hast mich nicht eingeladen zu deinem Bankett, aber ich hoffe, du wirfst mich nicht gleich wieder hinaus, Raffaello! Wie du es vor einigen Tagen in den Stanzen getan hast«, begrüßte mich der Papst mit einem schiefen Lächeln.
Julius und ich waren uns wegen der Entwürfe für das Numine Afflatur – Vom Göttlichen angehaucht, das dritte Fresko in der Stanza della Segnatura, in die Haare geraten. Ich hatte unzählige Aufträge für Porträts, Madonnenbilder und Altartafeln liegen gelassen, um den Karton fertig zu stellen. Jeden Tag hatte er mich in den Stanzen besucht und gefragt, wann das Fresko fertig sei. »Ich kann keine Wunder tun!«, hatte ich ihn eines Tages unbeherrscht angefaucht, als er zum vierten Mal innerhalb einer Woche in der Stanza erschien. »Also geht, und tut Eure Arbeit, und überlasst mir meine Arbeit!« Zornig war er abgezogen.
»Keine Angst, Heiliger Vater! Ich werde Euch heute Abend nicht hinauswerfen«, lachte ich. »Bitte seid mein Gast!«
Es war ein vergnüglicher Abend mit einem herrlichen Essen, exzellenten Weinen, Musik, Tanz und Gelächter.
Gianni lächelte mir vom anderen Tischende triumphierend zu. Seine ›Investition‹ hatte sich gelohnt: Viele kirchliche Würdenträger, Kaufleute und Bankiers hatten während des Abends mit ihm über Aufträge für Madonnenbilder, Porträts und Entwürfe für Silbergeschirr oder Schmuckstücke gesprochen.
Kurz vor Mitternacht war Gianni zu mir herübergekommen und hatte mir ins Ohr geflüstert: »Dieses Bankett ist ein Triumph, Raffaello. Unsere Impresa hat Aufträge für die nächsten fünf oder sechs Jahre, selbst wenn wir Tag und Nacht arbeiten. Die Römer zahlen jeden Preis. Wir müssen neue Gehilfen einstellen …« Dann war Gianni wieder verschwunden.
Eine Weile saß ich allein an der Tafel und beobachtete meine Gäste. Giuliano da Sangallo, Andrea Sansovino, Donato Bramante und Baldassare Peruzzi hatten sich in eine ruhige Ecke des Bankettsaales zurückgezogen und diskutierten über irgendwelche architektonischen Probleme der Baustelle von San Pietro. Donato hob seine Arme zu einem Gewölbebogen und redete auf Giuliano ein. Der schüttelte energisch den Kopf. Erst vor wenigen Tagen hatte ich die beiden Baumeister auf der Baustelle besucht, wo sie sich wegen der Konstruktionspläne für San Pietro ineinander verbissen hatten. Die Stützpfeiler für die Kuppel waren zu schwach konstruiert und drohten einzustürzen. Baldassare und ich hatten ihren hitzigen Streit schlichten müssen.
Gian Antonio Sodoma, der seit kurzem in der fertig gestellten Villa Chigi das Schlafzimmer ausmalte, und mein Maestro Timoteo Viti, der vor wenigen Tagen aus Urbino nach Rom gekommen war, standen mit einigen jungen Malern zusammen, die die neueste ›Offenbarung‹ in den Stanzen sehen wollten: den Karton des Numine Afflatur, des Parnassos. Die wildesten Gerüchte, wer darauf zu sehen war, wehten seit einigen Tagen durch die Salones von Rom. Namen wurden geflüstert: Pietro Bembo, Baldassare Castiglione, Ludovico Ariosto, Antonio Tebaldeo, Dante Alighieri, Giovanni Boccaccio, Francesco Petrarca. Und Homer und Sappho – doch mit wessen Gesichtszügen? Seit die Stanzen von einer ganzen Schar junger Maler belagert wurden, die den Karton sehen und kopieren wollten, hielt Gianni die Entwürfe unter Verschluss.
Silvia Ruffini tanzte mit Alessandro Farnese eine Pavane, dessen Schwester
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