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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Giulia wurde von Giovanni de’ Medici durch den Saal geführt. Ippolito d’Este und Francesco Alidosi standen an den geöffneten Fenstern des Bankettsaales und genossen die kühle Abendbrise, die vom Tiber herüberwehte. Sie flüsterten so leise, als würden sie sich gegen Herzog Francesco von Urbino verbünden. Rafaele Riario saß bei seinem Cousin Papst Julius am anderen Ende des Tisches.
    Ich war ganz in meine Gedanken versunken, als sich Agostino Chigi neben mich setzte. »Ein herrlicher Abend, Monsignor Santi! Ganz Rom und der halbe Vatikan ist zu Gast in Eurem Palazzo. Sogar Seine Heiligkeit ist gekommen. Ihr habt einen unglaublichen Erfolg in Rom. Die Welt liegt Euch zu Füßen!«
    Ich schenkte ihm und mir die Weingläser voll.
    »Es scheint Euch nicht zu erfreuen«, fügte er an, als ich nicht antwortete.
    »Es behindert das Vorwärtsschreiten, wenn einem die Welt zu Füßen liegt. Man kann stolpern. Worüber soll ich mich freuen?«, fragte ich ihn.
    Er lachte amüsiert über meine stoische Antwort und trank von dem Wein. »Über die Bewunderung, die Euch entgegengebracht wird.«
    »Die ist flatterhafter als ein Schmetterling, der von Blüte zu Blüte fliegt.«
    »Über Euren Reichtum!«, schlug er vor.
    »Der ist vergänglicher als die Blüte, auf der der Schmetterling rastet, bevor er weiterfliegt.«
    Agostino Chigi schüttelte amüsiert den Kopf, als hätte er noch nie einen solchen Unsinn gehört. »Maestro Raffaello, Ihr seid der Erste, der nicht vor mir in die Knie geht und mich ehrfurchtsvoll mit Magnifico anspricht, weil ich der reichste Mann der Welt bin. Ihr seid der Einzige, der alles hat und trotzdem nicht noch mehr will. Fast der Einzige. Ihr und ich, wir scheinen vieles gemeinsam zu haben. Wir haben beide hart gearbeitet, um dorthin zu kommen, wo wir jetzt sind: auf dem Gipfel des Olympos. Unermüdlich sind wir unserem Traum hinterher geklettert. Nun stehen wir auf dem Gipfel, betrachten den fernen Horizont und fragen uns, ob das schon alles gewesen sein soll.«
    »Ihr habt Recht, Signor Chigi. Auf den Gipfel führen viele Wege: Peruginos ausgetretener Weg, Leonardos verschlungener Pfad, Michelangelos steiler Anstieg. Aber auch die Wege Taddeo Taddeis, Jakob Fuggers und Agostino Chigis führen auf den Gipfel. Aber von dort oben gibt es nur einen einzigen Weg, der weiterführt, wenn man nicht stehen bleiben will.«
    »Ihr seid nie stehen geblieben, Maestro?«, fragte Chigi.
    »Nein, niemals.«
    Er lächelte geheimnisvoll. »Ich möchte Euch etwas schenken, mein Freund. Etwas, das Ihr noch nicht besitzt.« Er griff in seine Tasche und zog ein kleines Kästchen aus Rosenholz hervor, das er vor mir auf den Tisch stellte.
    »Was ist das?«
    »Zeit!«, lächelte Agostino Chigi.
    »Zeit?«, fragte ich verblüfft.
    »Zeit zum Stehenbleiben. Zeit zum Nachdenken. Zeit, sich umzusehen, um neue Wege zu finden, die auf andere, noch unbestiegene Berge führen.«
    Neugierig öffnete ich das Messingschloss der kostbaren Schatulle, klappte den Deckel hoch und starrte fasziniert auf eine goldene Taschenuhr. Ich hatte durch Albrecht Dürers Briefe von solchen Uhren gehört, die in Nürnberg von einem Goldschmied namens Peter Henlein erfunden worden waren. Die Uhr war nicht einmal so groß wie ein Tintenfass. Ein kleines Wunder!
    »Signor Chigi, ich bin Euch sehr dankbar, aber dieses Geschenk ist zu kostbar«, protestierte ich und wollte ihm die goldene Uhr schon zurückgeben.
    »Nein, Maestro! Nicht die Uhr ist teuer, sondern die Zeit. Sie ist das Kostbarste, was wir besitzen. Und wir verschenken sie, als hätten wir unendlich viel davon. Doch im Gegensatz zu unserem Reichtum wird die Zeit, die uns bleibt, immer weniger. Tag für Tag. Lasst uns den Rest, der uns noch bleibt, genießen, Raffaello!« Er erhob sich. »Warum kommt Ihr nicht nächste Woche zu mir in den Palazzo Chigi. Wir könnten uns bei einem Glas Montepulciano meine griechischen Handschriften ansehen …«
    »Ich komme gerne«, versprach ich.
    »Monsignore!« Er verneigte sich spöttisch vor mir und küsste den Ring an meiner Hand. »Ich werde nun versuchen, mit Eurem Stellvertreter auf Erden zu sprechen. Maestro Penni war den ganzen Abend zu beschäftigt, um mich zu empfangen. Ich möchte mit ihm über einen Auftrag sprechen …«
    »Einen Auftrag?«, fragte ich.
    »Die Innenausstattung meiner neuen Villa, die Peruzzi für mich baut. Die Freskierung meiner Stanzen!«
    Ich sah ihm nach, als er zu Gianni hinüberging.
    Giovanni de’ Medici ließ

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