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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Eleonora!
    Ich blätterte weiter durch meine Vergangenheit. Ich fand Zeichnungen, die ich von meiner Mutter Magia gemacht hatte. Ich war sieben Jahre alt gewesen, als ich dieses Pergament bekritzelte – kurz bevor sie gestorben war! Und da war eine Porträtstudie meines Vaters, die ich für den Joseph in der Vermählung der Jungfrau in Città di Castello verwendet hatte. Wie lange war das alles her! Ich blätterte durch die Jahre in Perugia und Siena und fand ungelenke Entwürfe für Bilder, die ich nie gemalt hatte.
    Zwischen meinen eigenen Skizzen fand ich immer wieder die Zeichnungen meines Vaters, dessen Mappe ich nach seinem Tode geerbt hatte. Er hatte viele der berühmten Maestros persönlich gekannt und eine ganze Mappe ihrer Originale besessen: Zeichnungen von Piero della Francesca, Andrea del Verrocchio, Sandro Botticelli und Domenico Ghirlandaio. Unschätzbar wertvoll!
    Was ich suchte, fand ich nicht: Sandro Botticellis eigenhändige Skizze der Geburt der Venus, die er meinem Vater Giovanni geschenkt hatte. Sandro hatte seine geliebte Simonetta Vespucci als Venus auf einer Muschel in der Meeresgischt dargestellt, die von den Winden Zephir und Chloris über die Wellen geblasen wird. Sandros Skizze sollte mich für meine Galatea in ihrer Muschel, umgeben von Tritonen und Nereiden, inspirieren! Wie eine Reliquie hatte mein Vater Sandros Geburt der Venus in seiner Mappe verwahrt. Und nun war sie verschwunden! Ich durchsuchte noch einmal die Ledermappe: ohne Ergebnis. Bei der dritten Durchsicht fiel mir auf, dass noch andere Skizzen fehlten: fast alle Zeichnungen von Luca, als ich ihn in Urbino gezeichnet hatte.
    Ich war bestohlen worden. Mein kostbarster Schatz: meine Entwürfe, meine Ideen, meine Vergangenheit: entwendet! Es war nicht eingebrochen worden – ganz sicher nicht –, denn in meinem Tesoro fehlten weder Golddukaten noch Juwelen! Das konnte nur bedeuten, dass sich jemand aus meinem eigenen Palazzo an den wertvollen Skizzen vergriffen hatte …
    Ich war entsetzt. Sie stahlen also nicht nur meine Ideen, meine Bildentwürfe, meinen Malstil, meinen Namen, meinen Ruhm, sondern sie nahmen mir auch noch das Wertvollste, was ich besaß. Meine Erinnerung an das, was ich verloren hatte: Sandro! Eleonora! Und Luca! Es gibt kein Wort für das, was ich in diesem Augenblick fühlte. Ich war sprachlos, ohne einen Gedanken in meinem Kopf. Ich war leer.
    Zuerst nahm ich gar nicht wahr, wie Aisha, meine ägyptische Dienerin, das Arbeitszimmer betrat, um eine Karaffe mit Limonade auf den Schreibtisch zu stellen. Sie wollte schon wieder gehen, als ich sie rief: »Warte einen Augenblick!«
    »Ja, Signore?«
    Ich deutete auf die offene Skizzenmappe und die Zeichnungen, die zu meinen Füßen über dem orientalischen Teppich verteilt lagen. »Ich suche eine Zeichnung von Sandro Botticelli. Die Geburt der Venus. Hast du sie irgendwo gesehen?«
    »Nein, Signore.«
    »Weißt du, wo sie sein könnte?«, drang ich in sie. »Sind noch irgendwo andere Skizzen von mir?«
    »Ich weiß nicht, Signore. Da müsst Ihr den Capo fragen …«
    »Den Capo? «, fragte ich ungläubig.
    »Maestro Penni, Signore …«, erklärte Aisha, verunsichert durch meine Fragen und das Chaos von zerknüllten Skizzenblättern auf dem Teppich. Hielt sie mich für verrückt?
    Ich atmete tief durch und entließ sie mit einer ungeduldigen Handbewegung.
    Ich packte die Skizzen zusammen, verschnürte die Mappe und machte mich auf den Weg in Giannis Arbeitszimmer.
    Er saß an seinem Schreibtisch und schrieb im Geschäftsbuch unseres Unternehmens. Er sah auf, als ich vor dem Schreibtisch stehen blieb.
    » Buon giorno, Maestro«, begrüßte er mich strahlend. Die Zahlenkolonnen auf der Habenseite seiner Buchhaltung schienen ihn in Euphorie zu versetzen. »Gut, dass du kommst! Marcantonio Raimondi hat vorhin einen Stapel Kupferstiche aus der Druckerei gebracht, die du heute noch signieren sollst. Er hat die Auflage auf einhundertzehn Exemplare erhöht, und alle Exemplare sind schon verkauft. Und wenn du schon mal da bist: Ich habe hier den Vertrag mit Monsignor Sigismondo Conti, dem Sekretär des Papstes, für die Madonna di Foligno. Er wünscht sich eine Himmelskönigin für den Altar der Santa Maria in Aracoeli auf dem Kapitol …«
    »Ich werde überhaupt nichts signieren, Capo «, unterbrach ich ihn und knallte die schwere Skizzenmappe auf den Schreibtisch. Dann ließ ich mich in den Sessel vor dem Tisch fallen und wartete auf seine Reaktion.
    Er starrte mich

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