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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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geheimnisvoll.
    »Von Agostino Chigi?«, vermutete ich. Agostino hatte einen extravaganten Geschmack, und ebenso außergewöhnlich waren auch seine Geschenke an seine Freunde.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Von Giovanni de’ Medici?«
    »Nein.«
    »Dann weiß ich wirklich nicht, wer …«
    » Ich habe Sappho zu dir geschickt, Raffaello!«, gestand Felice.
    »Du? Aber …« Ich war einen Augenblick sprachlos. »… warum?«
    »Weil ich dich liebe! Gott ist mein Zeuge.« Sie schob ihre rechte Hand zwischen die Lippen der Maske. Zuerst geschah nichts, doch dann verwehte ihr triumphierendes Lächeln. Sie verzog die Lippen wie im Schmerz, dann verschwand ihre Hand im Schlund der Maske. Sie schrie, und ich eilte ihr zu Hilfe. Ich zog ihre Hand aus der Bocca della Verità. Sie war unverletzt. Felice lachte mich aus, schlang ihre Arme um mich und küsste mich.
    »Erschrecke mich nicht so, Felice! Für einen Augenblick glaubte ich, du liebst mich nicht …«
    Sie nahm meine Hand: »Und jetzt du!«
    »Nein, Felice.« Ich entzog ihr meine Hand wieder.
    »Hast du Angst?«, neckte sie mich.
    »Ja, Felice, ich habe Angst – Angst vor deinen Erwartungen«, sagte ich ehrlich. »Was passiert, wenn ich die Wahrheit sage? Nichts wird sich ändern zwischen uns. Wir lieben uns, aber du bist die Frau eines anderen. Und wenn ich lüge? Wenn ich sage, was du so gerne hören willst: dass ich Eleonora und Sappho vergessen habe? Dann wird dein Vater ziemlich wütend, weil sein Lieblingsmaler seine rechte Hand riskiert hat. Und nicht mehr malen kann.« Sie stand sprachlos vor mir, und so fuhr ich fort: »Du liebst mich wie eine schöne Blume. Du bewunderst die bunte Blüte, atmest tief ihren betörenden Duft ein, streichelst die Blütenblätter und freust dich an ihrer Existenz, an ihrer Lebendigkeit. Du willst sie ausreißen, um sie in eine Vase zu stellen. Du willst deine Gier nach dieser Blume befriedigen, aber die Blume wird verwelken und sterben – und das weißt du. Wenn du sie lässt, wie sie ist, kann sie überleben, weiterblühen, ihre Blüte entfalten und mit ihrem Duft betören. Ist es Liebe, wenn du die Blume herausreißt, um sie für dich allein zu haben, Felice? Wenn du sie sterben lässt? Lass mich los! Reiß mich nicht aus!«
    Sie ließ erschrocken meine Hand los. »Du … du verdammter Narcissos! Du weißt überhaupt nicht, was Liebe ist!«, schrie sie mich unbeherrscht an. »Du liebst nur dich selbst. Und deine Freiheit.« Sie trat einen Schritt zurück. »Du bist Narcissos, der das Epos seines Lebens an die Wände der Stanzen malt. Und sein Credo und sein Evangelium! Der jede Nacht eine andere Geliebte in sein Bett bittet, um sich im Glanz ihrer Augen zu spiegeln, wenn er sie anschließend malt.
    Du hast Michelangelo als Herakleitos gemalt, der in die Wellen seines ewig fließenden Flusses hinabstarrt, um sich selbst dort im spiegelnden Wasser zu erkennen. Du malst ihn, so wie er dich! Du bist wie Michelangelo, der seine Musen und seine erotischen Fantasien an die Decke der Sixtina gepinselt hat: Adonis, den heidnischen Gott der Schönheit – dich hat er gemalt in der Erschaffung des Menschen! Michelangelo und du – ihr seid das perfekte Liebespaar! Ihr liebt nur euch selbst – im anderen.« Sie wartete auf eine Reaktion von mir, aber vergeblich. »Du leugnest es nicht?«, fauchte sie.
    »Nein, Felice: Es ist die Wahrheit. Eine Variante der Wahrheit, wenn auch eine besonders bunt schillernde und verführerische. Es ist das, was du glauben willst«, sagte ich ruhig. »Weil es so einfach ist. Weil du dich nicht mit allen Konsequenzen auf mich einlassen willst. Weil du Angst vor mir hast. Weil du Angst vor der Freiheit hast.«
    »Du arroganter, selbstverliebter Narcissos! Für dich gibt es nichts außer: Ich, Raffaello! Du hast dich auf die endlose Suche nach einem Traum gemacht: nach deiner Sappho! Und am Wegesrand siehst du nicht die, die dich lieben.«
    »Die Nymphe Echo, die sich in Narcissos verliebt hat?«, fragte ich. Ovids Metamorphosen zufolge war Narcissos’ Verwandlung in eine schöne Blume die Strafe dafür, dass er die Liebe der Nymphe Echo aus unbefriedigter Selbstverliebtheit zurückgewiesen hatte.
    »Nein, Narcissos: Es ist Sappho selbst, die du übersehen hast!« Damit rauschte sie davon und ließ mich mit der Bocca della Verità stehen. Mit der Wahrheit:
    Felice war Sappho!

    Felice liebte mich, sie hatte mich die ganze Zeit geliebt! Sie war als Sappho zu mir gekommen, weil sie keine andere Möglichkeit

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