Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
gesehen hatte, mich zu lieben, ohne mir meine Freiheit zu nehmen. Sie hatte geglaubt, dass ich sie hasste, und musste in jener Nacht erkennen, dass sie sich geirrt hatte. Aber sie hatte sich mir nicht zu erkennen gegeben. Sie war vor mir geflohen, als ich ihr … Sappho gestand, dass die Frage, ob sie den Rest ihres Lebens mit mir verbringen will, für mich der Anfang vom Ende war.
    Und dann hatte ich mich in Sappho verliebt, die geheimnisvolle Unbekannte. Ich hatte sie gesucht. Wie verzweifelt musste Felice all die Monate gewesen sein!
    Und dann der Abschied: das Geständnis ihrer Liebe. Ihre Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft. Und ihre Hoffnungslosigkeit, als sie mich verließ.
    An diesem Abend kehrte ich in den Vatikan zurück. Im Schein der untergehenden Sonne starrte ich lange auf die unverputzte Wand, wo ich seit Monaten Sappho malen wollte. Dann erhob ich mich und begann mit der Arbeit, die mich die ganze Nacht beschäftigte.
    Ich weinte, als ich Sappho … Felice im Schein der Kerzen auf den frischen Putz malte. Sie hatte sich von mir abgewandt. Endgültig.
    ›Die unverputzte Wand ist wie ein Riss in deiner Welt, aus dem der Sinn deines Lebens hinausströmt und sich im Nichts verliert‹, hatte Michelangelo gesagt. Der Riss war geschlossen, mit Mörtel kaschiert und übermalt. Aber der Sinn war verloren.
    Ich weinte, als ich in den frühen Morgenstunden das Fresko signierte:
    Ich, Raffaello.

Kapitel 13
Als ich in der Sprache der Menschen und der Engel redete
    A ls ich in der Sprache der Menschen und der Engel redete, als ich neue Evangelien verkündete und sie an die Wände des Vatikans malte, aber die Liebe nicht hatte, verlor ich auch meine Fähigkeit zu verzaubern!
    Ich hatte mich immer gefragt, wie es wäre, eines Tages vom Gipfel des Olympos herabzusteigen, ohne zu stolpern, und konnte es mir nicht vorstellen. Niemals hätte ich geahnt, dass ich so tief herabstürzen würde!
    Ich überlebte den Sturz, ich weiß nicht wie.
    Das Schlimmste war nicht, dass Felice gegangen war – sie hatte mich mehr als einmal verlassen. Das Unerträglichste war auch nicht, dass wir im Zorn auseinander gingen – wie oft hatten wir gestritten! Was mich am meisten schmerzte, war, dass sie meinen Traum von der Liebe und meinen Glauben an die Idee der liebenden Sappho vernichtete und durch die Gewissheit ersetzte, das Unerreichbare für einen kurzen Augenblick besessen zu haben, ohne es zu ahnen. Liebe ist nur ein Wort, dachte ich hoffnungslos – wie damals in Florenz, als Felice mich verließ, um nach Rom aufzubrechen.
    Der August war unmerklich in den September übergegangen, der Sommer in den Herbst. Der Herbst erschien mir lang, doch der Winter dehnte sich bis zur Unerträglichkeit. Kurz vor Weihnachten war es so kalt, dass ich mit Agostino im Colosseum Schlittschuhlaufen ging. Er hatte die seltsamen Schuhe auf meinen Wunsch aus Flandern kommen lassen, wo man sich jeden Winter auf dem Eis vergnügte – Albrecht Dürer hatte mir in Venedig davon erzählt. Agostino und ich hatten oft Zuschauer auf den Steinstufen des Colosseums, während wir unsere Pirouetten auf dem Eis drehten – und stürzten.
    Agostino scheute keine Kosten, um mich abzulenken und aufzuheitern. Die Schlittschuhe aus Flandern waren nur eines von Dutzenden kostspieliger Geschenke. Er freute sich über meine Fröhlichkeit am Weihnachtsabend, den wir an einem behaglichen Kaminfeuer in seiner Villa in den Bergen von Tivoli verbrachten, über meine Begeisterung über die sündhaft teure griechische Ausgabe eines Werkes von Pindar, das in seiner Druckerei in der Auflage von nur zwei Exemplaren hergestellt worden war – eines für ihn, eines für mich –, und über mein Entzücken über all die anderen Spielzeuge, die er mir schenkte: ein schnelles Rennpferd, ein Perlenhalsband, eine kostbare Laute mit Intarsien aus Florenz und die Sklavin Aisha, eine dunkelhäutige Schönheit aus Alexandria für mein Bett. Aber glaubte er wirklich, dass man Glück kaufen konnte?
    Während des Karnevals nahm ich an den Maskenbällen und Banketten bei Giovanni de’ Medici und Alessandro Farnese, bei Agostino Chigi und dem Florentiner Bankier Bindo Altoviti teil – wie immer. Vom Krieg gegen Ferrara nahm ich keine Notiz, auch nicht von dem Gerede über mich, das durch die Gassen von Rom wehte.
    Monatelang nahm ich keinen Pinsel und keinen Silberstift in die Hand, machte keine Skizzen, entwarf keine neuen Fresken und führte die entworfenen nicht aus. In der Impresa

Weitere Kostenlose Bücher