Der Fürst der Maler
schien Agostino Vergnügen zu machen.
Am nächsten Tag – nach dem Bankett und der feierlichen Enthüllung der Galatea – würde ich in meinen eigenen Palazzo zurückkehren. Imperia wohnte wie ich in der Via Giulia. Wir würden uns hin und wieder treffen – vielleicht …
Amüsiert beobachtete ich, wie Giovanni huldvoll Imperias Hand tätschelte. Sie lächelte verführerisch, nahm sich einen glänzenden Apfel aus der silbernen Obstschale auf der Tafel und biss hinein, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Dann reichte sie ihm den angebissenen Apfel. Giovanni zögerte, ihn anzunehmen.
Ich neigte mich zu ihm hinüber und flüsterte: »Warum bringst du nicht zu Ende, was du begonnen hast? Nimm den Apfel, o Mensch! Du befindest dich im Paradies, Giovanni. Wusstest du nicht, dass der Garten Eden an der Via della Lungara liegt? Genieße es also, solange du es kannst.«
Giovanni warf mir einen bösen Blick zu und ließ Imperias Hand los. »Damit ich dir für den Sündenfall in der nächsten Stanza Modell stehen kann?«
Amüsiert zuckte ich mit den Schultern. Ich hatte von dem Gerücht gehört, dass Papst Julius mir nach der Rückkehr von seinem Feldzug gegen Ferrara eine weitere Stanza anvertrauen wollte.
Ich deutete auf Alessandro Farnese, der mit seiner Silvia Ruffini herumturtelte. »Wen soll ich sonst malen, Giovanni? Alessandro und Silvia als unschuldiges Liebespaar? Das nimmt mir im Vatikan niemand ab. Alessandro hat nicht einen Hauch von Schuld an sich. Nach der Geburt seines vierten Kindes nimmt er Silvia und die Kinder ganz ungeniert mit in den Vatikan …«
»Wenn du jetzt deinen Skizzenblock hervorziehst, um mich und Imperia in inniger Umarmung zu skizzieren, lasse ich dich exkommunizieren«, drohte Giovanni mit erhobenem Finger.
»Gestern wolltest du noch von mir gemalt werden«, erinnerte ich ihn lachend. »Maestro Penni sagte etwas von tausend Dukaten, als er mich daran erinnerte, von dir einige Skizzen anzufertigen …«
Tatsächlich hatte Giovanni de’ Medici Gianni eine erhebliche Summe versprochen, wenn er auf einem meiner nächsten Fresken in den Stanzen als Kardinal erscheinen würde – am besten an einer prominenten Stelle in der Mitte des Freskos, sodass ich die purpurfarbene Soutane später leicht durch eine weiße ersetzen könnte …
Seit Julius’ Schwächeanfall bei der Belagerung der Festung von Mirandola im Januar und der Drohung des französischen Königs, ihn auf einem Konzil im Herbst abzusetzen, betrieb Giovanni als sein Stellvertreter ganz ungeniert seine eigenen Vorbereitungen für das nächste Konklave, aus dem er zu gerne selbst als Papst hervorgehen würde. Da er nach Julius’ Tod als nächster Papst die fertig gestellten Stanzen bewohnen würde, war sein Bild an den Wänden nicht nur Wahlpropaganda. Weitere fünfhundert Dukaten hatte er Gianni versprochen, wenn ich Alessandro Farnese nicht malte …
»Aber keine Nacktskizzen«, protestierte Giovanni lachend und strich sich über seinen üppigen Bauch. »Das verbiete ich dir!«
»Ich skizziere alle meine Modelle nackt. Wegen der Haltung«, erklärte ich gelassen.
Giovanni stöhnte theatralisch. »Vor drei Jahren musste ich dir die Überlebensregeln des Vatikans erklären, Raffaello! Damals war mir die sechste Regel entfallen. Nun erinnere ich mich wieder. Regel Sechs besagt, dass jeder seine Regeln selbst macht. Das hast du zur Perfektion gebracht, Raffaello. Du hast sie alle eingehalten.
Regel Eins: Seht, ich mache alles neu! Du hast den Vatikan vom ersten Tag an auf den Kopf gestellt. Du hast das Alte Testament von den Wänden gehauen und dein Evangelium und dein Credo an die Wände gemalt. Du hast Il Terribile gezähmt. Und seine Tochter Felice. Regel Zwei: Dein Schmelzpunkt ist verdammt hoch! Höher als der des Goldes, das man dir für den freundschaftlichen Gefallen anbietet, von dir gemalt zu werden. Du hast den Schmelzpunkt von Stahl! Regel Drei: Ich gebe, damit du mir gibst! Ich hatte dir geraten, von niemandem die Purpursoutane anzunehmen, der nicht ganz sicher Papst wird. Monsignore bist du nun schon, und die nächste Beförderung steht an, sobald Julius Caesar aus dem Krieg zurückkehrt. In seinem letzten Brief hat er sich wieder derartig über Gian Giordano Orsini erregt, dass er vermutlich einen Umweg über Bracciano in Kauf nimmt, um den Conte persönlich umzubringen. Dann wärest doch sicher du sein nächster Schwiegersohn …«
»Ich bin ein Monsignore, Giovanni«, unterbrach ich ihn lachend. Die
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