Der Fürst der Maler
von der Pracht der Villa Chigi beeindruckt, die Baldassare Peruzzi für Agostino am Ufer des Tiber errichtet hatte. Vor allem war Giovanni von der Verschwendung und dem Luxus beeindruckt, den Agostino anlässlich des Banketts betrieb, als er das Kardinalskollegium einlud, um mit ihm ›in aller Bescheidenheit das Brot zu brechen‹ – das stand tatsächlich auf der Einladungskarte! Der erste Gang dieses Bacchanals war wirklich trockenes Brot, und wir brachen es in aller Demut – und in freudiger Erwartung auf die folgenden vierundzwanzig Gänge. Das war Agostinos Art von Bescheidenheit.
Im Juni 1511 hatte Baldassare Peruzzi die letzten Arbeiten an der Villa Chigi abgeschlossen, hatte Gian Antonio Sodoma die Alexander-Fresken im Schlafzimmer vollendet und ich den Triumph der Galatea. Ich war nicht in die Stanzen zurückgekehrt. Ich konnte Sapphos abgewandtes Gesicht nicht ertragen. Deshalb hatte ich Gianni und Giulio gebeten, die vierte Wand allein zu freskieren. Die Tugenden sollten Das Letzte Gericht ersetzen.
Agostino Chigi, Il Figlio del Sole, feierte die Fertigstellung seines neuesten Spielzeugs – er besaß zwei weitere großzügige Villen am Meer bei Ostia und in den Bergen von Tivoli – mit einem Bankett in der Gartenloggia seiner Villa, deren Arkaden zum Tiber hin offen waren. Während die einzelnen Gänge serviert und verspeist wurden, konnten die Gäste sehen, wie das kostbare Geschirr, in dem die Speisen aufgetragen worden waren, von den Dienern wie selbstverständlich in den Tiber geworfen wurde, statt in der Küche im Kellergeschoss der Villa abgewaschen zu werden.
Ich grinste amüsiert, als auch das Geschirr in den Fluss geworfen wurde, das ich letztes Jahr für Agostino entworfen hatte: die Silberplatten mit Sibyllen und Engeln und die Teller aus weißem Porcellana mit gemalten Putti am Goldrand – alles ›echte Raphaels ‹, unbezahlbar und unersetzbar!
»Was für eine Verschwendung!«, seufzte Giovanni de’ Medici mit einem Funkeln in den Augen neben mir. »Agostino wirft dein Geschirr in den Fluss, und ich warte immer noch auf deine Entwürfe für mein Silbergeschirr.«
Durchschaute er den Trick? Agostino hatte unterhalb der Wasseroberfläche Netze spannen lassen, um das Geschirr aufzufangen, um es nach dem Bankett aus dem Fluss holen zu lassen.
Trotz der Verantwortung, die während der Abwesenheit des Papstes als sein Stellvertreter auf seinen Schultern lastete, genoss Giovanni den Abend. Er aß wie ein Spatz, nippte nur am Montepulciano, aber er flirtete hemmungslos mit Imperia, der teuersten Kurtisane Roms. Giovanni war ein echter Medici: Wie seinem Vater Lorenzo machte es ihm Spaß, junge Frauen durch verbale Zweideutigkeiten zu verführen, mit ihnen zu tanzen, ihre Hand zu halten, ihnen tief in die Augen zu blicken, um sich dann – anders als sein sinnlicher Vater – die letzte Erfüllung zu versagen und sich hinter seiner purpurfarbenen Kardinalssoutane zu verstecken. »Gott will es nicht«, pflegte er beim letzten Kuss zu flüstern. Wovor hatte Giovanni mehr Angst? Vor der Liebe oder vor dem Gott der Liebe, von dem er in seinem herrlichen Latein predigte …
Imperia spielte sein Spiel mit. Dabei wusste sie genau, dass diese Nacht nicht im Bett des Kardinals de’ Medici enden würde, sondern in meinem. Wie die Nächte zuvor.
Imperia war Agostinos ›Geschenk‹ an mich, um mich zum Malen zu animieren. Ich wohnte für einige Wochen in der Villa Chigi, bis das Fresko der Galatea fertig gestellt war.
Nachdem Sandro Botticellis Skizze der Geburt der Venus verschwunden geblieben war, hatte ich meine Ideen zu Papier gebracht. Die ersten Entwürfe der Nymphe Galatea entzückten Agostino, obwohl ihr schönes Gesicht noch fehlte. Eines Abends war er mit Imperia in meinem Schlafzimmer in der Villa Chigi erschienen. »Um der göttlichen Inspiration ein wenig nachzuhelfen …«, hatte Agostino geflüstert. Er hatte sie vor meinen Augen entkleidet und dann in mein Bett befohlen.
Imperia war meine Inspiration für die Nymphe Galatea gewesen. Wie oft hatte sie mir nackt im Garten der Villa für meine Skizzen Modell gestanden! Wie oft waren wir danach für ein oder zwei Stunden in der versteckten Loggia am Tiber verschwunden! Agostino hatte dazu gelächelt – eifersüchtig: Er wusste, dass er mich nicht anders zum Malen bringen konnte. Da er mich nicht kaufen konnte, kaufte er die Kurtisane Imperia für mich – Nacht für Nacht. Dass der Triumph der Galatea das teuerste Fresko Roms war,
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