Der Fürst der Maler
ich könnte ihn hier finden.«
Nun begrüßte auch ich Giuliano. Er umarmte mich herzlich. »Es tut mir Leid, wenn ich dir den Augenblick deines Triumphes stehle, aber ich muss dringend mit dir sprechen, Raffaello! Jetzt gleich!« Ungeduldig schleppte er mich ins nächste Zimmer, um allein mit mir zu reden. Agostino, Giovanni und die anderen Gäste blieben hinter uns zurück.
»Was ist geschehen, Giuliano?«, fragte ich.
»Francesco della Rovere schickt mich zu dir. Etwas Furchtbares ist geschehen, Raffaello!«
»Francesco schickt dich?« Francesco und Giuliano waren nie Freunde geworden, obwohl Giuliano seit Jahren im Palazzo Ducale von Urbino lebte. »Wo ist er?«
»Er braucht deine Hilfe, Raffaello! Er ist als Gefangener seines Onkels in einem Verlies der Engelsburg. Julius hat ihn exkommuniziert! Er will ihn hinrichten und verweigert ihm die Sakramente. Du musst sofort mitkommen!«
»Was hat er getan? Hat er jemanden umgebracht?«, fragte ich im Scherz, um mein Entsetzen über die Ungeheuerlichkeit der Gefangennahme des Herzogs von Urbino und Gonfaloniere der Kirche durch den Papst zu überspielen.
»Julius tobt: Francesco hat Kardinal Alidosi ermordet.«
Kapitel 14
Im Namen Gottes?
W ährend ich mit Giuliano de’ Medici zur Engelsburg ritt, erzählte er mir, was vor wenigen Tagen in Ravenna geschehen war:
»Anfang Mai begann die Lage an der Front im Krieg gegen Ferrara kritisch zu werden. Seit der Belagerung und Einnahme von Mirandola sind wir Ferrara keinen Schritt näher gekommen. Dann griffen die Franzosen an und drängten uns in Richtung Ravenna zurück. Julius verließ Bologna und überließ die Verteidigung der Stadt Kardinal Alidosi und Herzog Francesco von Urbino. Er konnte nicht länger in Bologna bleiben, es war viel zu gefährlich.
Wir waren alle froh, als er nach endlosen Diskussionen einsah, dass er als Papst zwar sein Leben auf dem Schlachtfeld riskieren konnte, seine Gefangennahme durch die Franzosen aber eine Katastrophe für die Kirche wäre. Er hat getobt, hat uns alle mit wüsten Beschimpfungen bedacht, ist dann aber in den Sattel gestiegen und hat Bologna verlassen. Keine Minute zu früh, denn wenig später fielen die Söldner der Bentivoglio, die Julius aus der Stadt vertrieben hatte, in Bologna ein.
Am selben Tag brach ein Aufstand los, der Kardinal Alidosi zwang, noch während der Nacht nach Imola zu fliehen. Er hatte nicht einmal Zeit, Herzog Francesco eine Nachricht zu senden, dass er Bologna verlassen musste.
Herzog Francesco war nur knapp mit dem Leben davongekommen, als die Bentivoglio ihn angriffen und er feststellen musste, dass sein halbes Heer Alidosi nach Imola gefolgt war. Du hättest den Herzog sehen sollen, Raffaello! Ich habe ihn noch nie so bleich gesehen wie in jener Nacht. Es war zur dritten Nachtstunde, als wir von der überstürzten Flucht des Kardinals erfuhren. Wir sind noch in derselben Nacht aufgebrochen, nach Ravenna, wo sich Julius aufhielt.
Ein paar Tage später traf Kardinal Alidosi in Ravenna ein, um sich für sein Verhalten vor dem Papst zu rechtfertigen. Er bat um eine Audienz bei Julius. Als der Kardinal sich mit seiner Leibwache zum Zelt Seiner Heiligkeit begab, stellte sich ihm der Herzog von Urbino mit einigen seiner Gefolgsleute entgegen. Baldassare Castiglione war dabei.
Francesco della Rovere beschuldigte den Kardinal, dass es durch seine Herrschaft als Kardinallegat in Bologna zum Aufstand und durch seine Flucht zum Rückzug des päpstlichen Heeres gekommen war. Die beiden haben sich angebrüllt wie zwei wütende Löwen. Dann trat der Herzog auf den Kardinal zu, als wollte er ihm den Weg zum Zelt des Papstes freigeben, damit Alidosi von diesem für seine Vergehen bestraft werden konnte. Doch dann … es ist einfach unglaublich!« Im Schein der Fackeln unserer bewaffneten Eskorte sah ich, wie Giuliano den Kopf schüttelte, als er sich an die Szene in Ravenna erinnerte. »Der Herzog zog seine Waffe und tötete Kardinal Alidosi! Er rammte ihm seinen Dolch bis zum Heft in die Brust. Eine solche Kaltblütigkeit habe ich noch nie gesehen!«
Ich dachte an Gian Andrea Bravo, der in meinen Armen gestorben war – mit Francescos Schwert in seiner Brust. Er hatte es wieder getan! Dieses Mal hatte er nicht den Freund und designierten Nachfolger des Herzogs ermordet, sondern den Vertrauten des Papstes und dessen möglichen Sukzessor als Pontifex Maximus. Beide waren Francesco im Weg gewesen – wie Herzog Guido und mein Sohn Luca. Erneut stiegen
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