Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
Zweisamkeit zu stören.
    Selbst Michelangelo war von Lucianis ansteckender venezianischer Lebensfreude mitgerissen worden, obwohl er wie ich der Meinung war, dass Luciani sich mit uns beiden messen wollte.
    »Er will dir nicht nur als schönster Künstler Roms Konkurrenz machen, Raffaello«, hatte Michelangelo mich gewarnt. »Sondern auch als bester Maler. Er imitiert dich!«
    »Dich etwa nicht, Michelangelo? Du solltest dir mal seinen Polyphemos ansehen – er ist ganz in deiner Manier gemalt.«
    »Luciani ist ein großer Künstler – ein Lebenskünstler. Er scheint neben der Kunst des Kopierens auch die Kunst des dolce far niente zur Perfektion gebracht zu haben! Sonst würde er mit fünfundzwanzig Jahren seinen eigenen Stil entwickelt haben. Luciani hat eine unglaubliche Virtuosität, in seinen Bildern rein gar nichts auszudrücken«, hatte Michelangelo mit beinahe liebevoller Bosheit gelästert.
    Ich hatte Sebastiano Luciani verteidigt: Er hatte neben Baldassare Peruzzis Deckenfresken im sienesischen Stil und meiner florentinisch-römischen Malerei einen schweren Stand. Die duftige Leichtigkeit seiner venezianischen Farben musste in klassische römische Formen gepresst werden, und die Lünetten waren viel zu klein für seine Figuren und zwängten sie ein wie die Zwickel der Sixtina Michelangelos ungemalte Apostel. Aber Sebastiano hatte nicht aufgegeben.
    Er trat neben mich, um wie ich gespannt die Gesichter der Gäste zu beobachten, während unsere beiden Wandbilder enthüllt wurden.
    Die beiden gleich großen Fresken der Galatea und des Polyphemos befanden sich nebeneinander in zwei Wandfeldern über einer Tür der Gartenloggia. Sebastianos Zyklop Polyphemos sitzt am Meeresufer und scheint sehnsuchtsvoll seiner ihm entfliehenden Geliebten Galatea und den sie begleitenden Tritonen und Nereiden nachzublicken. Die Nymphe gleitet in einer von Delphinen gezogenen Muschel über die Wellen des Meeres. Drei Cupidos, die im Himmel über ihr schweben, haben ihre Liebespfeile auf sie gezielt – aber noch hatte keiner sie getroffen!
    Agostino war begeistert gewesen von meinem Porträt Imperias als der den Fesseln der Liebe entfliehenden Nymphe Galatea. Obwohl beide Fresken thematisch zusammengehörten und gleichzeitig gemalt wurden, konnten sie nicht unterschiedlicher sein.
    Sebastiano Luciani, der durchaus in der Lage war, meinen Malstil zu beherrschen, hatte mich mit seinem Polyphemos herausgefordert. Weder die Haltung seines Zyklopen noch die Höhe seines Horizontes oder seine Perspektive stimmte mit der der Galatea überein, obwohl er meine Entwürfe gesehen hatte, als er mit seinen Skizzen begann. Ich hatte diese Unstimmigkeit erst bemerkt, als ich Horizont und Perspektive nicht mehr ändern konnte, ohne meine Entwürfe zu verwerfen und ganz von vorne zu beginnen. Ich war wütend gewesen, denn Sebastiano hatte bei Bellini und Giorgione gelernt und war ein guter Maler.
    Für einen Augenblick fragte ich mich: Hatte Sebastiano das mit Absicht getan, um mich herauszufordern? Wollte er mich um der Harmonie des freskierten Raumes willen zwingen, dass ich meine Entwürfe änderte, um sie den seinen anzupassen? Oder wollte er nur sehen, wie weit er gehen konnte?
    In den folgenden Wochen, in denen wir Seite an Seite arbeiteten, verlor er kein Wort über unseren wortlosen Machtkampf. Er fragte mich um Rat und war dankbar, als ich ihm mit der Perspektive seines Bildes half.
    Giovanni de’ Medici war mit seinem geschliffenen Augenglas ganz nah vor die Wand getreten, um den Polyphemos und die Galatea zu betrachten. Doch bevor er ein Wort des Staunens sagen konnte, trat völlig unerwartet sein Bruder in den Saal.
    »Giuliano!«, rief Giovanni überrascht aus.
    Auch ich eilte zu Giuliano de’ Medici hinüber, den ich seit Monaten nicht gesehen hatte. Er war mit Herzog Francesco im Krieg gegen Ferrara gewesen. Ich hatte einen Brief aus dem Feldlager vor Mirandola von ihm erhalten – das war im Januar gewesen, während der Belagerung der Festung Giovanni Picos. Warum war er in Rom?
    Bevor ich Giuliano mit meinen Fragen bestürmen konnte, lagen sich die Medici-Brüder in den Armen und begrüßten sich. Dann verneigte sich Giuliano höflich vor Agostino.
    »Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr in Rom seid, hätte ich Euch selbstverständlich zu meinem kleinen Empfang eingeladen, Giuliano …«, begann Agostino.
    »Ich bin erst seit einer Stunde in Rom, Agostino! Ich suche Raffaello. In seinem Palazzo in der Via Giulia sagte man mir,

Weitere Kostenlose Bücher