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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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der Zeit.
    Auf Paris de Grassis gestützt, schlich Julius am Altar vorbei in Richtung der rückwärtigen Tür. Seine rechte Hand, die bis vor einigen Tagen das Schwert hielt und den Kirchenbann schleuderte, hing leblos wie der geknickte Ast einer alten Eiche herab. Sein Gesicht war gewelkt, und ich sah ihm seine siebzig Lebensjahre an.
    Die Gläubigen strömten aus der Sixtina. Die Messe hatte fast zwei Stunden gedauert, und die wenigsten hatten die heiligen Rituale verfolgt. Mit Eleonora im Arm ging ich zu Michelangelo hinüber, der mit Sebastiano Luciani vor dem Altar unterhalb der Erschaffung des Menschen stand.
    Luciani entfernte sich einige Schritte, als ich mich näherte. Er wollte nicht erneut mit mir zusammenstoßen. Aber er ging nicht weit genug, um nicht doch verstehen zu können, was Michelangelo und ich uns zu sagen hatten. Dieser Intrigant!
    »Herzlichen Glückwunsch, Euer Exzellenz«, sagte ich, als ich Michelangelo umarmte.
    »Danke, Raffaello«, lächelte Michelangelo verunsichert zurück. Er fühlte sich offensichtlich nicht wohl in seiner neuen Rolle. Julius hatte ihn an diesem Morgen, kurz vor der Messe, überraschend zum Conte Palatino ernannt. Wollte der Papst – nachdem ich in Ungnade gefallen war – seinen neuen Lieblingskünstler auszeichnen, oder wollte er mich demütigen?
    Sebastiano hatte gestrahlt, als wäre er zum Conte ernannt worden!
    »Wann werdet Ihr abreisen, um Eure Burg und die Ländereien zu besichtigen?«, spöttelte ich.
    »Ich werde nicht abreisen, Raffaello. Ich werde morgen ein bisschen den Marmor kitzeln«, grinste Michelangelo übermütig. Er war glücklich, der Hölle der Sixtina entkommen zu sein.
    »Was willst du machen?«, fragte ich überrascht. Nach der Genesis gönnte er sich nicht einen einzigen Tag Pause!
    Michelangelo deutete an die Decke. »Nach der Hölle? Eine Wiedergeburt! Einen auferstandenen Christus in weißem Marmor! Ich bin dir noch eine Antwort auf deinen Jehoschua schuldig«, lachte er verschmitzt.
    Nach Soderinis Verbannung aus Florenz war der Auftrag der Republik für den Herakles hinfällig. Und der Moses des Julius-Grabes ruhte noch in Frieden. Noch …
    »Ein Conte als Bildhauer?«, provozierte ich ihn zum Spaß.
    »Conte Michelangelo Buonarroti. Daran werde ich mich nie gewöhnen! Ich werde immer Michelangelo bleiben«, sagte er.
    » Deo gratias! Ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Unsere Streitgespräche würden sich endlos in die Länge ziehen, wenn wir sie nach höfischer und kurialer Etikette zwischen einem Monsignore und einem Conte führen müssten. Ich sage dir lieber direkt, was ich von deinen Verrücktheiten halte.«
    »Ich bitte darum!«, lachte er.
    »Nimm dir ein paar Tage frei, Michelangelo«, riet ich ihm. »Fahre mit Agostino Chigi ein paar Tage in seine Villa nach Tivoli, oder besuche deine Familie in Florenz.«
    »Nein, Raffaello. Ich habe Sebastiano versprochen, dass ich ihm bei seinen Bildentwürfen helfe …« Michelangelo nickte in Lucianis Richtung.
    Sebastiano, der uns beobachtet hatte, sah demonstrativ weg, als er meinen Blick bemerkte.
    »Gehört Luciani, dieser singende Gondoliere aus Venedig, jetzt offiziell zu deinem Gefolge, Conte?«, fragte ich. »Mischt er deine Farben, oder singt er dein Heldenepos? Er himmelt dich an, Michelangelo. Er würde mit dir ins Bett gehen, um ein paar Skizzen von dir zu ergattern.«
    »Du bist verärgert, Raffaello. Weil Sebastiano dich kritisiert«, vermutete Michelangelo.
    »Nicht weil er mich kritisiert, Michelangelo, sondern weil der Neid ihn treibt. Er ist ein guter Maler, beherrscht Form und Farbe. Aber er ist unfähig zu eigenen Ideen.«
    »Seine Motivation kann dir gleichgültig sein! Er hat dich um Skizzen gebeten, und du hast sie ihm verweigert …«
    »Er soll seinen Weg selbst finden und nicht meinem folgen! Das habe ich nicht nur Sebastiano Luciani gesagt, sondern auch Andrea del Sarto …«
    »Sebastiano hat dich verletzt, weil er dich arrogant nannte, und du wehrst dich, indem du dich mit ihm schlägst«, unterbrach er mich.
    »Ich schlage mich nicht mit ihm«, brauste ich auf.
    »Nein, das einsame Duell mit dem Schwert im Morgengrauen hast du abgelehnt. Die Entscheidungsschlacht mit Sebastiano Luciani fichst du in aller Öffentlichkeit aus. Du lässt ihm einfach keinen Auftrag übrig, weil du jeden großen und kleinen Auftrag annimmst: Porträts, Altarbilder, Fresken, Entwürfe für Geschirr und Disegnos für Schmuckstücke – ob deine Impresa diese Aufträge erfüllen

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