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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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kann oder nicht! Für ihn bleibt nichts als die Krümel von deinem Tisch. Gib ihm eine Chance, Raffaello!«
    »Warum ich? Er hängt doch jetzt an deinen Rockzipfeln. Und malt nach deinen Entwürfen. Vielleicht versteht er sie sogar eines Tages«, fauchte ich.
    Das Letzte, was Michelangelo wollte, war ein Streit zwischen uns wie damals in Florenz, als wir unsere Wortgefechte zur Kunstform erhoben hatten. Er schwieg.
    »Dieser Einfaltspinsel Luciani schürt das Feuer zwischen uns, Michelangelo«, sagte ich. »Das weißt du. Warum lässt du es zu?«

Kapitel 16
Der Sturz des Engels
    E s war dunkel geworden, als ich den Palazzo del Belvedere verließ. Der Vollmond leuchtete zwischen den silbernen Schneewolken über dem tief verschneiten Heckenlabyrinth des Belvedere-Gartens. Die antiken Skulpturen wirkten im nächtlichen Zwielicht der Fackeln an der Palastfassade unheimlich. Bedrohlich.
    Fröstelnd zog ich den weiten Faltenmantel enger um meinen Körper, schlug den mit Hermelin besetzten Kragen hoch und stapfte durch den knarzenden Schnee in Richtung der Statue des Laokoon.
    Es begann wieder zu schneien. Erst rieselten nur wenige kleine Eiskristalle, spitz wie Punktiernadeln aus Elfenbein, doch dann schwebten Flocken wie weiche weiße Engelsfedern vom Himmel. Eilig durchquerte ich das Labyrinth der Hecken, die Baupläne von San Pietro trug ich zusammengerollt unter dem Arm.
    In Gedanken war ich noch bei meiner Besprechung mit Donato Bramante. Giuliano da Sangallo war vor wenigen Wochen aus Florenz zurückgekehrt und hatte seine Position als Stellvertretender Bauleiter von San Pietro wieder eingenommen. Während Donatos Abwesenheit von der Baustelle leiteten wir gemeinsam die Arbeiten an der größten Kathedrale der Welt. Giulianos Neffe Antonio Picconi da Sangallo, den jeder auf der Baustelle nur Nino nannte, unterstützte uns als Assistent.
    Bramante litt seit fast zwei Wochen an einer fiebrigen Lungenentzündung, die ihn in seiner Wohnung im Palazzo del Belvedere ans Bett fesselte. Er war während eines Schneesturms auf das Gerüst eines Kuppelpfeilers gestiegen, um einen Riss im Mauerwerk zu begutachten. Der Pfeiler drohte einzustürzen und einen weiteren mitzureißen: Er musste abgestützt und verstärkt werden. Donato selbst hatte die mehrstündigen Notmaßnahmen vom Gerüst aus geleitet. Dabei hatte er sich erkältet und seit jenem Tag das Bett nicht mehr verlassen. Jeden Abend besuchte ich ihn auf meinem Weg von San Pietro und den Stanzen nach Hause in die Via Giulia. Meist spielten wir eine Partie Halma, und ich berichtete ihm vom Baufortschritt.
    Schon die Fundamentierung von San Pietro war schwierig gewesen, weil die Krypta der alten Basilika nicht abgerissen werden durfte. Und so hatte Donato die Grundmauern der Kathedrale auf den Überresten eines antiken Circus und den brüchigen Fundamenten der alten Basilika des Kaisers Konstantin errichtet. Er hätte genauso gut auf Sand bauen können! Giuliano und ich hatten mittags beschlossen, die Pfeiler zu verstärken, damit sie die gewaltige Kuppel überhaupt tragen konnten. Wegen der Einsturzgefahr hatte ich die gemauerte Altarnische der alten Basilika für Gottesdienste sperren lassen und mich deshalb mit Paris de Grassis angelegt. »Das kannst du nicht entscheiden, Raphaël!«, hatte er mir hinterher gerufen, als ich sein Arbeitszimmer verließ. Dass die offene Apsis wegen der fehlenden Kirchendecke tief verschneit war und ohnehin nicht benutzt werden konnte, schien er noch nicht bemerkt zu haben.
    Von Papst Julius hörte ich keinen Kommentar zu meiner eigenmächtigen Entscheidung. Er lag wie Donato Bramante mit Fieber im Bett. Er hätte in der zum Himmel offenen Kirche ohnehin keine Messe zelebrieren wollen. Oder können. Seit der Eröffnung der Sixtina vier Monate zuvor hatte ich ihn selten gesehen. Nach einem fast siebzigjährigen Leben befand sich Julius seit Weihnachten in einem Zustand völliger Erschöpfung. Seit dem Karnevalsbankett bei Agostino Chigi lag er im Bett, erhob sich nicht einmal für eine Messe in der Sixtina. Welch eine Demütigung für einen Mann, der noch vor wenigen Monaten durch nichts und niemanden in die Knie zu zwingen war!
    Ich beschleunigte meine Schritte. Es war spät, und ich beeilte mich, nach Hause zu kommen.
    Eleonora wartete sicher schon auf mich! An diesem Abend gab ich ein großes Bankett zur Einweihung meiner neuen Villa auf dem Pincio. Die Feier war ein Treffen der berühmtesten Gelehrten und Künstler Italiens. Agostino

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