Der Fürst der Maler
Was konnte ich überhaupt tun? Nichts.
Ich ging zum schmalen Bett und setzte mich. Meinen Mantel zog ich enger um mich, denn es war kalt in der Zelle. Im Kamin brannte kein Feuer.
Der Raum war spartanisch eingerichtet: ein Tisch, zwei unbequeme Holzstühle vor dem einzigen Fenster, dessen ölgetränktes Pergament so nachlässig bearbeitet war, dass man draußen, in den von Fackeln beleuchteten Arkaden, nicht einmal die Karten spielenden Wächter erkennen konnte. Das Nachtgeschirr aus Kupfer befand sich in einer Ecke hinter dem Kamin, eine Waschschüssel und ein Krug mit Wasser standen auf dem Fenstersims. Auf dem Wasser hatte sich eine dünne Eisschicht gebildet. Auf dem Bettgestell lag eine vom Frost feuchte Strohmatratze, die mit einem fadenscheinigen Laken aus Leinen bezogen war. Kein Kopfkissen, keine Decke. Und keine Kerze!
Nichts ließ darauf schließen, wie lange ich hier bleiben sollte: eine Nacht, zwei Nächte oder den Rest meines Lebens? Nichts ließ sich zur Flucht verwenden: Selbst wenn ich das Laken in Streifen riss, um mich über die Zinnen abzuseilen – es war so zerschlissen, dass es mein Gewicht nicht tragen konnte. Im Kamin brannte kein Feuer, und daher gab es auch keine Schürhaken oder andere gusseiserne Instrumente, die ich als Waffe verwenden konnte.
Meine einzigen Waffen waren meine Hände. Es war wie damals, als ich nach Florenz gekommen war: Ich hatte nur meine Hände gehabt. Und meine Worte …
Ich sprang auf und ging zur Tür, um wie ein Berserker dagegen zu hämmern. »Öffnet die Tür!«, brüllte ich in dem Kommandoton, den Onkel Simone im Cortile des Palazzo Ducale von Urbino benutzte, wenn seine Offiziere seine Befehle nicht schnell genug ausführten.
Eine Weile geschah nichts. Doch dann hörte ich einen Schlüssel im Schloss und zwei eiserne Riegel, die zurückgeschoben wurden. Das Portal wurde geöffnet.
»Was willst du?«, fragte einer der Wächter barsch.
»Mir ist kalt«, beschwerte ich mich.
Wenn der Kamin angezündet werden könnte … oder wenn ich wenigstens eine Kerze bekommen könnte …
»Mir auch«, war die kurze Antwort.
»Und ich bin hungrig. Und durstig«, rief ich, als das Portal schon wieder geschlossen werden sollte. Energisch trat ich mit meinem Stiefel in den Spalt zwischen Tür und Rahmen. »Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen.«
Der Wächter zuckte mit den Schultern, stieß mich zurück und schlug die schwere Tür zu. Der rostige Schlüssel wurde knirschend im Schloss umgedreht, die Riegel wieder vorgeschoben.
Ich ließ mich auf das Bett fallen und wartete. Worauf ich wartete, wusste ich nicht. Aber es war das Einzige, was ich tun konnte: warten. Ich wickelte mich in meinen Mantel und rollte mich auf dem schmalen Bett zusammen. Ich musste warm bleiben.
Ich versuchte zu schlafen. Vielleicht würde ich am Morgen aus diesem Albtraum erwachen.
Ich lauschte auf das Ticken der Taschenuhr in meiner Jacke. Ich griff in die Jackentasche und zog sie heraus. In der Dunkelheit konnte ich kaum die Zeiger erkennen. Wie damals, als Agostino mir die Uhr schenkte, hatte ich das furchtbare, lähmende Gefühl, den Rest meines Lebens in der Hand zu halten.
Wie lang war die Zeit, die mir noch blieb? Ein Tag? Ein paar Stunden? Lohnte es sich, die Uhr noch einmal aufzuziehen?
Ich zog einen Handschuh aus. Mit vor Kälte zitternden Fingern versuchte ich das kleine Rädchen auf der Rückseite zu drehen, um die Feder zu spannen. Es hatte sich verklemmt und ließ sich nicht bewegen. Bei meinem Ringen mit den Assassini und meinem Sturz in den Schnee war das winzige Zahnrad eingedrückt worden. Die Uhr ließ sich nicht mehr aufziehen. Panik überschwemmte meinen Verstand. Es ist völlig unsinnig, versuchte ich mir selbst einzureden. Diese Uhr hat nichts mit dem Rest meines Lebens zu tun. Gar nichts! Es ist nur eine Uhr, die die Zeit misst. Nichts weiter. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass meine Zeit, meine Lebenszeit, unwiderruflich abgelaufen war und dass sich kein Rädchen zurückdrehen ließ …
Mit der Uhr in der Hand war ich irgendwann eingeschlafen. Ich schreckte hoch, als der Schlüssel im Schloss der Kerkertür rasselte. Die Riegel wurden zurückgeschoben.
Zwei Wächter betraten das Verlies und hielten Fackeln vor sich, die mich blendeten. Ich lag reglos auf dem Bett und beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen. Einer der beiden stellte eine Holzschüssel mit dampfender Suppe und einen Becher Wasser auf den Tisch. Dann zogen sich beide zurück,
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