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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Fluchtversuch hätte mit meinem sicheren Tod und einem Grab unter den Fundamenten von San Pietro geendet.
    Ein Funken der Hoffnung erleuchtete meinen Weg durch die Dunkelheit.
    »Ich bin Raffaello Santi«, sagte ich.
    »Dann haben wir ja den Richtigen erwischt«, lachte einer der Assassini.
    Ich gab nicht auf. »Ich bin Monsignore und Maler des Papstes. Und ich bin reich. Was immer euch für den Anschlag auf mein Leben versprochen wurde: Ich kann mehr bezahlen. Viel mehr. Lasst mich frei!«
    »Noch mehr?«, lachte der andere. »Mehr als die Absolution, als die Vergebung all meiner Sünden? Auch der, die ich noch gar nicht begangen habe?«
    Ich schnappte nach Luft. Wer, zum Teufel, war der Auftraggeber dieser Männer? Nur ein Priester konnte das Ego te absolvo sprechen und Sünden vergeben. Oder der Papst …
    »Wohin bringt ihr mich?«, fragte ich.
    »Lass dich überraschen«, fauchte einer der Assassini. »Und jetzt schweig!«
    Halb gezerrt, halb geschoben, stolperte ich durch den Belvedere-Garten. Der verschneite Weg neigte sich abwärts: Wir gingen den Vatikanischen Hügel hinunter zu den Apostolischen Palästen.
    Wir stiegen ein paar Stufen hinauf. Eine Tür wurde geöffnet und fiel hinter mir ins Schloss. Dann durchquerten wir eine lange Loggia. Durch das Gewebe des Sacks über meinem Kopf sah ich das Flackern von brennenden Fackeln. Wir waren in einem der Paläste! Ich konnte um Hilfe rufen! Und dann – was würde dann geschehen? Ein gezielter Schlag auf den Kopf, ein Dolch in meinem Rücken. Ich holte tief Luft und schwieg.
    Hinter der Loggia war eine weitere Holztür mit einem schweren Eisenschloss. Dann führten ein paar schmale, unebene Stufen hinauf – wohin? Das Echo der Schritte auf dem Steinboden verriet mir, dass wir uns in einem langen, schmalen Gang befanden. Einer der Assassini ging vor mir, die vier anderen folgten mir. Der Gang war nicht breit genug, dass sie neben mir gehen konnten.
    Nach ein paar Schritten ging es acht Stufen hinauf, nach vier weiteren Schritten acht Stufen wieder hinunter. Ganz in der Nähe – unter mir? – konnte ich die Geräusche einer Straße hören: das Rattern von beladenen Ochsenkarren auf dem Kopfsteinpflaster der Via Alessandrina, die Hufe von Maultieren und Pferden, die derben Flüche von Bauern, die vom Gemüsemarkt auf dem Campo dei Fiori in ihre Dörfer außerhalb der Stadt zurückkehrten.
    Wo war ich?
    Fieberhaft überlegte ich: ein langer schmaler Gang, unbeleuchtet, hinter den vatikanischen Palästen, nach ein paar Schritten eine Treppe, die über einen Torbogen oberhalb der Via Alessandrina führte …
    Ich befand mich im Passetto, dem Fluchtweg der Päpste, der die vatikanischen Paläste mit der Engelsburg verband. Ich wurde in das Castel Sant’Angelo gebracht – sicherlich nicht für ein Plauderstündchen mit … ja, mit wem? Ich wurde in ein Verlies der Engelsburg gebracht, dem Gefängnis der Päpste.
    Ich blieb stehen.
    Und wurde durch einen Tritt ermuntert, meinen Weg fortzusetzen. Ich fragte mich: meinen Weg wohin? Zum Richtblock des Henkers, der mich ohne Prozess hinrichten und meine zerstückelte Leiche in die Cloaca Maxima werfen würde?
    Nach einigen Minuten hatten wir das Ende des Passetto erreicht und betraten die Bastion von San Marco an der Nordmauer der Engelsburg. Ich wurde eine Treppe hinuntergeschleppt, durch ein schweres Portal gezerrt, das einer Belagerung standhalten konnte. Hinter mir fiel das Tor mit einem dumpfen Donnern ins Schloss.
    Die Flucht von hier war unmöglich!
    Durch den ringförmigen Hof betraten wir das Grabmal des Kaisers Hadrianus. Ich war schon einmal hier gewesen, als ich Francesco in seinem Verlies im Castel Sant’Angelo besucht hatte. Niemals wäre ich auf die absurde Idee gekommen, dass ich selbst eines Tages als Gefangener die Engelsburg betreten würde. Wir stiegen die Rampe nach oben, wandten uns nach links, durchquerten Hadrianus’ Grabkammer und erreichten schließlich den Cortile d’Angelo hinter den Zinnen der Festung. Nur noch eine Treppe hinauf, dann stand ich in meinem Verlies.
    Jemand zerschnitt meine Fesseln, und das Blut begann schmerzhaft in den Fingern zu zirkulieren. Dann wurde mir der Sack vom Kopf gezogen: Ich befand mich in dem Kerker, in dem vor wenigen Monaten Francesco auf seine Hinrichtung gewartet hatte.
    Das Krachen der schweren Eichentür klang wie das Beil des Henkers auf dem Richtblock.
    Eine Weile stand ich in dem dunklen Verlies, bewegungslos wie eine Statue.
    Was sollte ich tun?

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